Kapitel 05: EVE\\ DER NOTRUF
„Gut, ich geh mir dann mal den Schaden ansehen“, Lustig erhob sich von seiner Konsole.
Glen sah zu, wie der Zwerg davonwatschelte.
„Passe primäre Antriebe auf Fluchtvektor an“, meldete Ludmilla.
Glen starrte 34 Minuten lang unbewegt auf den Hauptbildschirm. Eve konnte erkennen, dass er sich Sorgen machte. So wie sie. Trotz all ihrer Planung und der überlegenen Schiffskonstruktion, trotz all der Energie, welche Konani aufbringen konnte, hatte der unbeabsichtigte Schaden im Zentrum die Gateshot so weit verkrüppelt, dass bei jeder Feindbegegnung die Möglichkeit eines schwerwiegenden Ausfalls bestand.
All ihre im Vorfeld angestellten Berechnungen hatten sie nicht auf die sehr realen Konsequenzen vorbereitet, welche der Tod von Menschen mit sich brachte. Menschen, die ihr etwas bedeuteten. Hinzu kam die stressige und anstrengende Arbeit, welche sie momentan auf der Krankenstation verrichten musste, und die Wächterin fühlte sich ganz und gar nicht in Höchstform.
Suzy entschuldigte sich, um in ihr Büro zu gehen und weiter an Alienritualen und Magie zu arbeiten. Selbst mit Ruperts Hilfe war sie nach eigener Aussage noch nicht näher dran, zu verstehen, wie das Raumtor funktionierte und wie sie es öffnen könnte.
Eve seufzte innerlich, während sie allen anderen ein ruhiges, nachdenkliches Gesicht präsentierte. Wie Glen war sie besorgt. Wie Suzy war sie ratlos, wie sie ihre Aufgabe zu Ende bringen sollte. Wie die beiden durfte sie es nicht allzu offen zeigen, um die Mannschaft nicht zu entmutigen.
„Möchten Sie eine Pause machen?“, fragte sie schließlich, „Ich könnte die Dinge für Sie im Auge behalten.“
Ihr Kapitän sah auf und blinzelte, als müsse er einen tiefen Gedankengang abschütteln. Nachdem er sich an ihre außerweltliche Natur gewöhnt hatte, schien Glen in ihrer Gegenwart nun wesentlich entspannter. Eve genoss den neugefundenen, ungezwungenen Umgang.
„Ich kann übernehmen, falls Sie die Schiffspläne noch einmal im Detail durchgehen wollen“, sie bemühte sich, nicht so zu klingen, als würde sie sich nur wiederholen.
Glen dachte über das nach, was sie eigentlich sagte, und nickte dann, „Aye, das weiß ich zu schätzen.“
Er wollte sich gerade von seinem Platz erheben, als Singh sich in verwirrtem Alarm umwandte, „Kapitän! Ich empfange einen Notruf!“
Rasch erhob sich der Admiral und runzelte die buschigen Brauen, „Einen Notruf?“
„Aye, Sir. Von einem neptunischer Frachter, nahe unserer Route. Es scheint eine automatische Schleife zu sein, die lediglich angibt, dass sie einen schweren Maschinenschaden haben und Hilfe brauchen.“
Nachdem er einen verwirrten Blick mit ihr ausgetauscht hatte, eilte Glen hinüber, um Singhs holografische Ausgabe zu betrachten.
„Verdammt, ich hatte schon ewig keinen Notruf mehr …“, murmelte er.
Eve wollte gerade mehrere Scans starten, um die Echtheit des Notrufs zu bestimmen, als sie feststellte, dass Singh bereits daran arbeitete. Die vorläufigen Ergebnisse waren positiv. Trotzdem …
„Es könnte eine Falle sein“, äußerte Eve eine vermutlich allgemeine Besorgnis.
„Aber das wäre gegen das Gesetz!“, meldete sich Rivers, „Das ist ein Verstoß gegen Artikel 1 der Jupiter-Konvention!“
Sie hatte also schon begonnen, ihre Wissenslücke zu schließen…
„Das stimmt, aber wie die Velorianer vor nicht mal einer Stunde bewiesen haben, scheren sie sich weder um menschliche Gesetze noch um humanitäres Recht“, entgegnete Glen.
„Tatsächlich sind die Menschen einzigartig darin, Verhaltensregeln für Kriege und dergleichen aufzustellen“, kommentierte Eve, „Ich glaube nicht, dass es eine andere Rasse gibt, welche einen solchen Pakt mit beinahe allen Teilen ihrer selbst geschlossen hat. Insbesondere die Garantie grundlegender Rechte für Gefangene ist im Rest des bekannten Universums eher … unüblich. Es könnte sein, dass die Velorianer das Konzept schlichtweg nicht verstehen.“
„Was?“, die Wissenschaftlerin schien regelrecht erschüttert.
„Nun, wie dem auch sei“, entschied Glen, „Es ist nicht nur das humanitäre Recht, das uns zum Handeln zwingt, sondern auch der gute Anstand! Dieser Frachter befindet sich weit draußen, in einer völlig anderen Richtung als die Velorianer. Mein Gefühl sagt mir, dass das keine Falle ist. Dem Comm-Verkehr nach zu urteilen, ist sonst niemand in der Nähe. Wenn wir nicht helfen, wer wird es dann tun?“
Eve wusste keine passende Antwort. Er hatte natürlich recht, und egal, wie sehr sie sich um die Sicherheit ihrer eigenen Mannschaft sorgte, sie konnte seiner Argumentation nichts entgegensetzen. Ebenso wenig wie seinem Mitgefühl.
Zufrieden damit, ihr Verständnis gewonnen und sie überzeugt zu haben, wandte ihr Kapitän sich um, „Lt. Ludmilla, bringen Sie uns so schnell wie möglich hin! Lt. Singh, informieren Sie mich, sobald wir nahe genug sind, um ein richtiges Gespräch zu beginnen. Wir sollten mindestens eine halbe Stunde brauchen, aye?“
Singh nickte.
„Gut. Dann weisen Sie Dr. Lustig an, einige seiner Leute auszurüsten, falls sie dort drüben Hilfe leisten müssen! Befehlen Sie Maj. Thompson, ein Sicherheitskommando zusammenzustellen und ein paar Shuttles vorzubereiten!“
„Aye, Sir.“
„Gut. Sie haben die Brücke, Lieutenant. Fr. Baileywick“, Glen gab ihr ein Zeichen, ihm zu folgen.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie, als er an seinem Büro vorbeischritt und auf den Aufzug zusteuerte.
Suzy wartete bereits mit großen Augen auf sie.
„Ich werde zu Mittag essen, da ich schon das Frühstück ausgelassen habe, und es scheint, dass meine Chancen auf eine warme Mahlzeit für heute rapide sinken. Währenddessen informieren wir Suzy und besprechen mögliche Szenarien“, Glen winkte mit einer Hand und der Aufzug fuhr los. Mit der anderen öffnete er die heutige Speisekarte und wählte den Rindereintopf, „Suzy?“
Die junge Hexe schüttelte den Kopf. Wie inzwischen fast immer war ein Drittel ihres violetten Haares flach an den Schädel geflochten. Es hatte wohl etwas damit zu tun, dass sie nun Anhängerin einer alten Erdgöttin namens Hekate war, welche ihr im Gegenzug das Leben gerettet hatte … Eve konnte diese Geschichte immer noch nicht recht begreifen. Anfangs hatte sie es für einen Trick des menschlichen Geistes gehalten, doch irgendetwas passte da nicht. Nicht, dass Eve Rupert um eine Erklärung bitten würde … Das Gleichgewicht wusste, was er im Gegenzug von ihr verlangen könnte …
„Danke, ich hatte ein großes Frühstück und einen Shake nach dem Training“, das Mädchen legte eine Hand auf ihren Bauch, „Ich bin voll.“
„Eve?“, Glen hob eine Augenbraue, „Ich weiß, du isst mehr für den Genuss als zur Sättigung, doch ich würde die Gesellschaft begrüßen.“
„Das würde ich ebenfalls“, sie wählte einen kleinen Seetangsalat.
* * *
„Wir sind gleich in direkter Kommunikationsreichweite“, begrüßte Singh die drei eine halbe Stunde später zurück.
„Großartig“, Glen sah zu Rivers, „Was sagen die Scanner?“
„Es ist ein ziviles Frachtschiff mittlerer Größe“, berichtete die Wissenschaftlerin und übertrug das 3D-Modell eines sperrigen, unattraktiven Schiffes menschlicher Bauart auf Glens Konsole, gerade als der Kapitän dahinter Platz nahm, „Zumindest besagt das die von ihnen ausgesendete Identifikation.“
„Haben die überhaupt künstliche Schwerkraft?“, Glen zeigte auf das Ding, welches im Grunde nur aus einem Cockpit und einem Maschinenraum bestand, beides vor einem gewaltigen Rahmen angeordnet. Der Rahmen war grob in Segmente unterteilt, in denen sich wahrscheinlich alles Mögliche unterbringen ließ, von Asteroiden und Frachtcontainern bis hin zu kleinen Schiffen oder sogar Passagierabteilen.
„Nein“, Lustig war zurück, bereit, seine Leute bei Bedarf von dem Ort aus einzuteilen, von dem aus er den besten Überblick über das gesamte Geschehen hatte, „Es sei denn, sie haben was nachgerüstet. Das ist kein Luxusliner, sondern ein Arbeitsgerät. Es sollte nur eine Besatzung von fünf, maximal zehn Leuten haben.“
„Aber werden sie ohne Schwerkraft nicht Probleme mit Knochendichte und Muskelschwund bekommen?“, Suzy schnallte sich an.
„Nur, wenn sie zu viel Zeit am Arbeitsplatz verbringen“, erwiderte Lustig achselzuckend, „Und was soll ich sagen? Manche Leute haben nicht den Luxus, sich mit solchen Problemen zu beschäftigen. Sie wollen einfach nur überleben. Und zum Überleben braucht man Geld. Apropos, diese Frachter sind ziemlich robust, doch wenn man nicht das notwendige Kapital hat, um wichtige Wartungsarbeiten durchführen zu lassen oder Teile rechtzeitig auszutauschen, gehen auch sie kaputt. Das passiert hier draußen sehr oft.“
„Verbindung hergestellt“, meldete Singh, „Ich habe ihnen gesagt, wir sind die Jolly Barbara 3.“
Glen nickte, dann gestikulierte er, um das Signal mit seiner Station zu verbinden.
Ein Teil von Eve verfolgte, was im Computer geschah, während ihr Hauptaugenmerk auf der subjektiven Erfahrung ihres Körpers lag. Diese seltsame schizophrene Aufteilung war für sie inzwischen allzu alltäglich und sie wurde immer besser darin, die Details auseinanderzuhalten.
„Hier spricht Kapitän Joffrey Baker von der Jolly Barbara 3 an neptunischen Frachter Carryway 5“, sagte ihr Kapitän mit einem seltsamen Akzent, den Eve noch nie von ihm gehört hatte. Es klang als würde er mit mehreren Murmeln in seinem Mund jonglieren, hatte aber auch etwas seltsam Beruhigendes, „Wo liegt denn das Problem? Braucht ihr Hilfe, Kumpels?“
„Hier ist Carryway 5“, antwortete eine panische Stimme, „Carter am Apparat. Den Sternen sei Dank, dass Sie hier sind! Unser Reaktorkern erreicht kritische Masse und droht zu explodieren! Wir evakuieren; ein Shuttle, vier Rettungskapseln und … ähm … Leute in Raumanzügen. Wenn Sie uns an Bord nehmen könnten, wären wir Ihnen sehr, sehr dankbar!“
Über die Comm-Verbindung lief eine Menge Rauschen und im Hintergrund waren laufende Füße, sich schließende Schotte und gebrüllte Befehlen zu hören, was darauf hindeutete, dass der Mann, welcher mit ihnen sprach, gerade selbst evakuiert wurde.
Doch da war noch etwas anderes.
Eve konzentrierte sich zum Teil darauf, einen Ruf im Hintergrund zu bereinigen.
„Klingt, als hättet ihr ne steile Party am Laufen“, erwiderte Glen, „Wir sind gleich da. Hör mal, Junge, bist du der Kapitän?“
„Nein“, die helle Arbeiterstimme wurde augenblicklich grimmig, „Der Kapitän ist tot. Ich erkläre es später. Wir haben einige … interessante Passagiere, also flippt bitte nicht aus! Wir brauchen nur eine Mitfahrgelegenheit aus der Gefahrenzone! Bitte!“
„Verstehe …“, Glen warf Eve einen spekulativen Blick zu, „Wie viele?“
„Ungefähr … ähm … 70, 75 insgesamt. Können Sie das aufnehmen?“
„Klar, Kumpel! Gib uns ne Sekunde“, Glen schaltete die Verbindung stumm und strich sich durch das grobe Wirrwarr rot-weißer Barthaare, „Fr. Rivers?“
„Sichtkontakt hergestellt“, erwiderte der Rotschopf mit ihrem üblichen Maß an übersprudelnder Begeisterung, „Wow … das sieht nach einem Rennen aus!“
Auf dem Hauptbildschirm erschien ein Schiff, welches im Wesentlichen dem 3D-Modell ähnelte, doch ganz offensichtlich mit Passagierabteilen und anderen Anpassungen nachgerüstet worden war. Ein Shuttle, eine große Gruppe Menschen in gepanzerten Raumanzügen und mehrere kleine Rettungskapseln, von denen jede wahrscheinlich nicht mehr als zwei oder drei Sitze besaß, schossen von dem Ding weg, welches selbst unbewegt im Raum zu hängen schien. Während sie das Geschehen beobachteten, wurden mehrere Container abgestoßen und taumelten in den freien Raum. Einer von ihnen kollidierte beinahe mit einer der Rettungskapseln.
„Das würde ich nicht als eine geordnete Evakuierung bezeichnen“, kommentierte Lustig, „Irgendetwas hat sie in helle Panik versetzt.“
„Ich könnte mir vorstellen, was“, Rivers’ moosgrüne Augen weiteten sich, „Sehen Sie sich diese Werte an!“
Sie übermittelte ihre Scannerwerte an Lustig, welcher pfiff.
„Ja, das ist ein Reaktorkern auf dem Weg in den kritischen Bereich“, er nickte, „Die machen keine Witze. Das Ding wird in wenigen Minuten detonieren.“
„Nun, wenn das so ist“, Glen deutete auf die Flüchtenden, „Können wir irgendetwas tun, um sie rechtzeitig aus der Todeszone zu bringen?“
„Sie nicht, aber wir könnten die Explosionszone weiter weg schieben“, bot Ludmilla an, „Umdrehen und dem Ding einen Schubs mit unseren Antigravs geben.“
„Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört“, Glen runzelte die Stirn, „Doktor, glauben Sie, dass Sie den Output richtig einstellen können?“
Lustig warf einen weiteren prüfenden Blick auf die Anzeigen und studierte dann den Vidfeed, „Knifflig, aber machbar. Geben Sie mir eine Minute zum Rechnen.“
Glen nickte, „Ludmilla, wenden Sie. Sachte, bitte!“
„Kapitän“, lenkte Eve seine Aufmerksamkeit auf sich, „Dieser Frachter war in einen Kampf verwickelt. Er weist erhebliche, durch militärische Geschosse verursachte Schäden auf.“
„Das habe ich bemerkt“, ein grimmiger Ausdruck huschte über sein Gesicht.
„Und da ist noch etwas“, fuhr sie fort, „Ich habe einen Teil der Kommunikation bereinigt … Ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Passagiere an Bord nehmen wollen.“
„Inwiefern?“
Eve spielte den Clip ab. Er war immer noch voller Rauschen und etwas verstümmelt, der Mann, welcher sich Carter nannte, auf ein leises Nuscheln im Vordergrund reduziert, um das Geschehen im Hintergrund zu verstärken.
Eine schroffe, befehlsgewohnte Stimme brüllte: „Provost Major, bewegen Sie Ihren Arsch in das Shuttle! Sofort! Und haben Sie ein Auge auf den Priester!“
Glens Brauen kräuselten sich und kletterten langsam aufeinander zu.
„Ist ‚Provost‘ ein Name?“, Suzy runzelte die Stirn, „Oder ist das ein Rang?“
„Eine Position“, warf Lustig ein, „für einen Sicherheitsoffizier. Warum sollte ein Frachter dieser Größe einen ausgewiesenen Sicherheitsoffizier brauchen, geschweige denn zwei?“
„Warum zwei?“, Suzys Verwirrung wuchs zusehends.
„Ein Provost Major hat normalerweise die Aufsicht über andere Provoste“, erklärte Glen.
Eve öffnete den Mund, doch Glen kam ihr zuvor, „Wir werden später sehen, was es damit auf sich hat. Bringen wir sie erst einmal in Sicherheit.“
„Oh wunderbar, die Sache wird langsam spannend“, die schlaksige Gestalt von Rupert J. Maverick lümmelte auf einem Sitz, die Füße auf einer Hilfskonsole neben Suzy, als wäre er bereits die ganze Zeit dort gewesen, und polierte einen Apfel am Ärmel seines Mantels, „Jetzt bin ich neugierig!“
Glen warf dem Geist einen genervten Blick zu, „Haben Sie etwas damit zu tun?“
Die drei Farben in Ruperts Augen kreisten unruhig umeinander, während er den Kopf neigte, als würde er lauschen, „Nein, das habe ich nicht vorhergesehen. Wie herrlich verblüffend!“
„Darauf wette ich“, Glen wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Zwerg zu, „Lustig?“
„Bin gleich fertig.“
„Ludmilla?“
„Wir schwenken herum“, ihre Pilotin drückte sanft gegen das Steuer, perfekt getimt und dosiert, um das beschädigte Schiff so wenig wie möglich zu belasten.
„Scheiße, Mann, sind Sie das?“, drang Carters Stimme durch die Comm-Verbindung, „Sie sind … größer als erwartet.“
„Das sagen mir die Mädels oft“, scherzte Glen kindisch, wofür er nahtlos in diesen seltsamen Akzent zurückwechselte, „Hör zu, Junge, wir müssen die Explosionszone weiter wegschieben. Wir geben eurem Schiff einen kleinen Schubs mit unseren Masseschiebern. Seid ihr alle ausgeflogen?“
„J… ja, wir sind alle hier“, antwortete der junge Mann.
„Dann haltet die Köpfe unten“, Glen deutete und Lustig drückte den Knopf, gerade als Ludmilla signalisierte: „Feuer frei!“
Die Antischwerkrafttriebwerke waren dafür ausgelegt, die große Masse des Gateshot auf Lichtgeschwindigkeit und darüber hinaus zu beschleunigen. Die Fremden brauchten nicht wissen, dass sie über diese Fähigkeit verfügte, denn Massenschieber waren im Grunde das gleiche Konzept, nur andersherum. Sie waren entwickelt worden, um Asteroiden oder Trümmer zu bewegen, um entweder den Weg freizumachen oder sie zu transportieren, und waren ein weitaus häufigeres Merkmal menschlicher Schiffsdesigns.
In diesem Fall schaffte es ein kurzer Schub mit umgekehrtem Output den Frachter, welcher nicht einmal ein Zehntel der Größe und – in seinem fast leeren Zustand – nur einen Bruchteil der Masse der Gateshot aufbrachte, wegzustoßen wie ein Blatt in einem Sturm.
Der leichte Frachter drehte sich mehrmals um die eigene Achse, taumelte davon und explodierte schließlich in einem gewaltigen Spektakel aus weißer, zischender Energie. Ein Ring aus superheißer Hochgeschwindigkeitsmaterie dehnte sich blitzschnell in alle Richtungen aus, nur um sogleich von den endlosen Weiten des offenen Raums verschluckt zu werden.
Suzys Augen waren vor Schreck geweitet, die von Rivers in unbändiger Faszination. Lustig und Ludmilla hatten keine Zeit zu gaffen, als sie ihr Manöver beendeten und die Gateshot neu ausrichteten, den Mechanismus neu kalibrierten und sanft zum Stehen kamen, sodass die Flüchtlinge sie leicht erreichen konnten.
Glens Blick schien grimmig, seine smaragdgrünen Augen schauten kurzzeitig über den Bildschirm hinaus. Vielleicht erinnerte er sich an etwas aus seiner Vergangenheit.
Rupert schwang seine Beine von der Konsole, stand auf und klatschte. Die anderen schlossen sich ihm eilig an.
„Hey Carter, Junge, geht’s euch gut?“, commte Glen, kaum dass sich alle wieder beruhigt hatten.
„Ja, wir sind noch da. Das verdanken wir Ihnen, Mann! Danke, Kapitän Baker!“
„Kein Problem. Bringen Sie Ihre Leute mal in …“
Er sah zu seiner Schiffsmeisterin auf, und sie signalisierte mit vier Fingern den Raum, welcher soeben in aller Eile von allen verfügbaren Drohnen geräumt wurde, um sicherzustellen, dass nichts mehr herumlag, was Außenstehende nicht sehen sollten. Während sie dies wenige Minuten zuvor in die Wege leitete, hatte Eve auch Maj. Thompson, den Leiter des militärischen Segments an Bord, angewiesen, ihn zu sichern.
„… Hangar 4. Das ist der im Steuerbordflügel, den wir gerade öffnen. Ich werde meine Leute runterschicken, um sicherzugehen, dass es euch auch gut geht, okay?“
„Ja, Natürlich! Danke, Kapitän!“
Glen wandte sich an Eve, „Na dann sehen wir mal, was für einen Ärger wir uns da eingebrockt haben …“
„Sie sollten hier bleiben“, warnte sie, „In Sicherheit.“
„Oh, das habe ich vor“, er schmunzelte schelmisch, „Das ist doch der perfekte Job für Sie, oder nicht?“

Zurück zu Kapitel 4