“Seid Ihr sicher, dass das eine gute Idee ist, Meister?”, mit wildem Blinzeln, um die hellen Punkte aus meiner Sicht zu vertreiben, starrte ich den dunklen Tunnel hinab. Hier war es unerwartet kühl, die brennenden Sonnenstrahlen, welche die Wüstenlandschaft in meinem Rücken staubig und kahl hielten, schlagartig abgeschnitten.

Allarand enthielt sich einer Antwort und schritt mit der Selbstverständlichkeit eines Wächters vorweg in die lichtlose Tiefe. Sicher, ihm konnte schließlich nichts etwas anhaben. Mir hingegen …

Für einen Moment überlegte ich, am Höhleneingang zu warten, denn einige der Wesen, die wir hier anzutreffen hofften, konnten noch deutlich größer werden, als ich es war. Und sie waren hier zuhause.

Und …

“Singvogel, kommst Du!?”

… und mein Meister hatte gesprochen.

Einen bestärkenden, tiefen Atemzug später sprintete ich hinter ihm her. Meine Krallen gruben sich in die von reger Überwanderung verdichteten Erde, während ich die abgeschliffenen Wände argwöhnisch betrachtete. Schon nach wenigen Flügellängen fiel die Temperatur so weit, dass sich mein Federkleid sanft aufbauschte, um dem entgegenzuwirken. Wenigstens gab mir meine schwarze Färbung einen natürlichen Schutz in der Dunkelheit und auch meine auf konstantes Halbdunkel ausgelegte Sicht passte sich schnell an. Allarand nickte zufrieden, als ich zu ihm aufschloss, die orangefarbenen Lichtringe in seinen Augen merklich gedämpft. Es war ein innerer Kampf, den respektvollen halben Schritt zurückzubleiben.

“Was weißt Du über unsere Gastgeber, Singvogel?”, fragte mein Meister.

“Die Käfer sind … ähm … eine intelligente, insektoide Spezies und leben in großen Familien zusammen”, ich dachte an die schreckhaften Rindenläufer auf meinem Heimatplaneten und konnte mir das mit der Intelligenz nicht so recht vorstellen.

“’Familien’ ist nicht unzutreffend, da eine Kolonie von ein bis drei Matriarchinnen begründet wird, welche in der Regel miteinander verwandt sind. Sie selbst bezeichnen sich jedoch als ‘Gemeinschaft’”, ein sanfter Schimmer lief über seine metallene Haut, “Ihre Intelligenz ist nur ein faszinierender Aspekt an dieser Rasse. Intelligenz, Individualität und Spezialisierung von Aufgaben verhalten sich kongruent zueinander und sind von der ihnen zugedachten Arbeit abhängig. Dabei ist die Kausalität noch immer nicht eindeutig geklärt.”

Mit einem verwirrten Blinzeln suchte ich nach der unerwarteten Lichtquelle, “Also … ob sie aufgrund ihrer Intelligenz eine Aufgabe bekommen oder an der Aufgabe klüger werden?”

“Korrekt. Und der Name ihrer Spezies ist Shi’Thrass”, Allarand lächelte milde, auch wenn sein Ton eine subtile Schärfe enthielt, “Du möchtest doch unsere Gastgeber nicht beleidigen, indem Du eine derart derivasive Beschreibung wie ‘Käfer’ benutzt, oder?”

Für einen Moment überlegte ich, ob ich etwa meine Stimmbänder benutzt hatte. Nein, definitiv nicht.

“Aber nur Ihr könnt doch meine Gedanken hören,” verteidigte ich mich stumm, “und auch nur, wenn ich sie direkt an Euch richte?!”

“Höflichkeit und Respekt sollten nicht im Angesicht eines Gegenüber, sondern im eigenen Geist beginnen”, belehrte mich die metallene Gestalt in einem versöhnlichen Ton.

Ich senkte den Kopf demütig. Moment mal … kam der dumpfe, grünliche Schein etwa aus den Wänden? Vorsichtig kratzte ich etwa Erde heraus und ließ sie zwischen meinen Fingern zerbröseln. Doch da war nichts. Merkwürdig …

Allarand führte uns unbeirrt weiter, immer tiefer. Die Wahrscheinlichkeit, dass er schon einmal in genau diesem Labyrinth gewesen war, erschien mir gering. Vielleicht war es sein immenses Wissen oder die Erfahrung unzähliger Jahrtausende, welche seine Schritte lenkte. Oder vielleicht war ein anderer seiner Art, auf dessen Erinnerung er zurückgreifen konnte, vor ihm hier gewesen.

“Im Shuttle spracht Ihr von einem Fest?!”, knüpfte ich schließlich an das vorherige Gespräch an, “Seid Ihr sicher dass wir am richtigen Ort dafür sind?”

Ich sah nur Erde, eine gelegentlich daraus hervortretende, schleimige Substanz und die Feuchtigkeit, welche sich dank der Kälte zunehmend an den Wänden niederschlug. Keine Dekorationen oder andere Gäste, keine Zeichen reger Vorbereitung auf ein großes Ereignis. Ich bekam das unruhige Gefühl, in die Welt der Toten herabzusteigen. Und sollte es nicht wärmer werden, wenn man tiefer in die Erde vordrang?

“Normalerweise sind diese Tunnel erfüllt mit geschäftigem Leben”, Allarand tauchte im Vorbeigehen einen Finger in die milchige Flüssigkeit und betrachtete den Rückstand, als wolle er ihn bis auf die molekulare Ebene inspizieren. Vielleicht konnte er das sogar, “Dass sie es nicht sind, ist ein Anzeichen dafür, dass die Zeit naht. Die Gemeinschaft zieht sich in der Mitte zusammen.”

“Und wir? Weshalb sind wir hier?”

“Wir sind hier, um dem Ende einer Ära beizuwohnen. Und den Beginn einer neuen zu feiern.”

Mein fragender Blick konnte ihn nicht erweichen. Oder vielleicht war er zu abgelenkt. Der Ausdruck auf seinem üblicherweise neutralen Gesicht schwang zu etwas um, dass sich nur als Besorgnis klassifizieren ließ, und vertiefte sich, je länger er auf den Schleim starrte. Seine Schritte wurden schneller.

“Etwas stimmt nicht; der molekulare Zerfall ist zu weit fortgeschritten!”, vor einem großen Durchgang am Ende des Korridors stoppte er und kniete nieder, um einen Stein zu begutachten.

Nein, keinen Stein… Was wie glatter Fels aussah, war in Wirklichkeit ein natürlicher Panzer. Und da waren noch mehr zusammengerollte Gestalten …

“Die Wachen sind in Hungerstarre verfallen,” erklärte Allarand, “So weit sollte es nicht kommen.”

“Sollte was nicht kommen?”, ich vergaß, meine Gedanken zu benutzen und das Trillern meiner Stimme erzeugte ein schrilles Echo, welches den Gang hoch und runter hallte und sich im Raum hinter dem Durchgang verlor.

Er erhob sich und griff meine Hand, “Komm! Vielleicht ist es noch nicht zu spät!”

Gemeinsam sprinteten wir durch den Bogen in eine riesige, gewölbte Halle. Vor uns erstreckten sich zwei Flügelspannen Boden, danach gähnende Leere. Zu meinem Entsetzen folgte Allarand nicht dem sanft zur Seite abfallenden Weg, sondern schoss gradewegs auf den Abgrund zu. Meine Versuche, anzuhalten, hinterließen lediglich verzweifelte Kratzfugen in der Erde. Sein Griff glich einem Schraubstock und mit der übernatürlichen Kraft einer Maschine zog er mich vorwärts.

“Allarand, ich kann nicht mehr fliegen!”, mein Kreischen verlor sich in der undenkbaren Weite des Raums, “Ihr habt mir die Flügel amputiert!”

“Und das werde ich niemals vergessen”, seine Hände wechselten die Position und ich fühlte meinen Oberkörper gestützt, als wir von der Klippe schnellten.

Kräftige Flügel brachen aus seinem Rücken hervor. Metallene Federn spreizten sich weit, um die aufdriftende Brise einzufangen. Mit zwei Schlägen distanzierte er sich von der Klippe, verharrte dann in einem sanften, spiralförmigen Segelflug. Kritisch betrachtete er die Szenerie unter uns. Der Raum fiel zur Mitte hin in gigantischen, ringförmigen Treppenstufen ab. Auf jeder Stufe lagen mehr der glatten Panzerhaufen, als ich zählen konnte. Verschiedene Sorten davon. Und obgleich alle Stufen mit eng aneinandergedrängten, zusammengesunkenen Gestalten gefüllt waren, wurden es zur Mitte sowohl weniger als auch größere Exemplare.

“Sind … sind sie tot?”, ich musste meine Nase vor dem dumpfen, schweren Gestank lang veratmeter Luft verschließen.

“Einige mit Sicherheit”, die seiner Rasse auferlegte Neutralität hatte in Allarands Stimme zurückgefunden, “Doch die meisten befinden sich lediglich in einem Zustand maximaler Ressourceneffizienz.”

“Sowas wie Kältestarre?”

“Korrekt.”

In der Kuhle genau im Zentrum, an der tiefsten Stelle des Raumes, befand sich eine einzelne, alle anderen überragende Gestalt.

“Die Matriarchin!”, Allarand korrigierte die Stellung seiner Flügel und wir stürzten abwärts, gradewegs auf sie zu. Im letzten Moment zog der Wächter hoch. Dann setzte er meine zitternde Gestalt sanft auf dem Boden ab und landete neben mir.

Borkenmist! Ich hatte genug gewagte Flugmanöver in meinem Leben absolviert, um dem Kräfteeinfluss mehr als gewappnet zu sein. Es war die fehlende Kontrolle über meine eigene Bewegung, welche mir die Knie schwach werden ließ und die Federn aufplusterte. Nun … das und …

Von der schwerfälligen, plumpen Gestalt vor uns strahlte knochentiefe Kälte aus. Der modrige Geruch des Todes füllte meine Lunge und ließ mich würgen. Ihr Panzer wirkte papierdünn und gradezu ausgebleicht. Dunkle Schemen bewegten sich träge darunter. Eine schleimige, brackige Flüssigkeit sickerte aus den zahlreichen, vor Trockenheit aufgerissenen Stellen in Richtung Boden. Ihre Form ähnelte der einer flügellosen, auf der Hälfte zerteilten Libelle: der runde Kopf war durch einen kaum sichtbaren, dünnen Hals mit einem größeren, kugelförmigen Torso verbunden, dessen klare Chitinform in ein langgezogenes, ledernes Hinterteil auslief. Ein großer Felsbrocken hatte die Hälfte ihres Hinterleibs zerquetscht und der Rest war sichtlich aufgebläht. Ein schwaches Licht strahlte aus ihrer Gestalt, hauptsächlich aus dem großen schwarzen Fleck im Anfang des Hinterleibs. Ich schaute alarmiert nach oben, doch der schwache Schein war nicht genug um zu erkennen, von wo der Stein gefallen war … und ob noch mehr folgen könnten.

Allarand trat näher heran. Eine Reihe zischender Klicktöne verließen seinen Mund.

Die Technik in meinem Kopf übersetzte hilfsbereit: “Nachwuchsreiche Matriarchin. Bitte entschuldigt, dass meine Gehilfin und ich ungebeten Euer Heim betraten.”

Ein einzelnes Auge, halb so groß wie ich, brauchte zwei Anläufe, um zur Hälfte aufzublinzeln. Darunter befand sich eine angegraute, spiegelglatte Fläche. Das Lid zog sich noch etwas höher als sie ihn erkannte.

“Ehrenwerter Wächter?!” obgleich schwach und verzagt, erfüllten ihre Klicklaute den ganzen Raum mit ihrem Echo, “Träume ich?”

“Nein, ich bin hier”, dem etwas leeren Ausdruck seiner Augen nach unterzog Allarand sie soeben einem Scan, “Durch Zufall.”

“Schicksal!”, widersprach die Alte, “Bitte, Ehrenwerter! Werdet Ihr mir helfen meinen Nachwuchs auf die Welt zu bringen und somit meine Gemeinschaft retten?”

Der Wächter ging hinüber zu der Stelle in ihrem Hinterleib, hinter welcher der schwarze Schemen auszumachen war. Auf die Berührung seiner Hand hin zitterte die Haut und der Schemen bewegte sich.

“Sie lebt”, hauchte die Matriarchin, “Ich kann es fühlen. Sie kommt nur nicht heraus. Sie ist noch zu schwach, um aus dem Kanal auszubrechen. Bitte, Ehrenwerter! Meine Zeit ist beinahe um!”

“Allarand, warum zögert Ihr?”, ich konnte es mir denken, doch die genauen Grenzen der seiner Rasse auferlegten Regeln waren mir noch immer unklar, “Ihr habt mich gerettet. Warum nicht sie?”

“Es ist nicht dasselbe”, widersprach er in meinem Kopf, “Die Berechnung der Auswirkungen eines einzelnen Lebens auf das Universum ist relativ einfach im Gegensatz zu dem einer ganzen Gemeinschaft.”

Ich trat näher heran. Mein Blick zuckte unruhig zwischen dem einen Leben unter seiner Hand und dem steinernen Ausdruck in seinem Gesicht hin und her.

“Wächter sind Beschützer”, beharrte ich auf die allerorts bekannte Wahrheit.

“Wächter sind neutral,” hielt er dagegen, “Wir halten das Gleichgewicht. Wir greifen nur ein, wenn es bedroht ist oder unser Eingreifen keine Konsequenz darauf hat.”

“Und woher könnt ihr das wissen? Woher wisst ihr, ob ein Volk mehr Auswirkungen hat als ein einzelnes Leben?”

Er zuckte mit den Schultern, “Wahrscheinlichkeitsrechnung. In mehreren Dimensionen. Soetwas benötigt Zeit und Sorgfalt.”

“Aber sie hat keine Zeit!”, ich zeigte auf den dunklen Schatten, dann auf den Rest des Raumes, “Sie alle haben keine Zeit! Und wenn Ihr nichts tut, ist das auch eine Entscheidung!”

“Eigentlich wäre ich nicht hier”, sinnierte er, “Ich bin nur hier, um Dir etwas zu zeigen.”

“Dann rettet sie und zeigt es mir!”, meine Stimme hallte laut durch die Kuppel, die sich überschlagenen Echos überlagerten einander, bauten sich zunehmend auf. Ein leises Grollen und Zittern ging durch die Erde. Kleine Steine und Felsbrocken rieselten von der Decke. Verängstigt und schwach zuckte die Matriarchin zusammen. Ich stolperte instinktiv gegen die gigantische Gestalt, als ein Schwall Erde direkt in meinem Rücken herabregnet. Allarand bewegte sich keine Federstärke.

Entgegen meinen Erwartungen fühlte sich die Haut unter meinen Händen warm und weich an. Trocken, sicher. Aber es war als konzentrierte die gigantische Gestalt all die ihr verbliebenen Wärme, alle Kraft und Hoffnung in diesen einen Punkt. Das Junge auf der anderen Seite der Membran bewegte sich, zuckte schwach und ziellos.

Eine Erinnerung stieg in mir auf. Wie mein Partner und ich uns in jenem schrecklichen Winter an unsere Küken gedrückt hatten, all unsere verbliebe Kraft und Wärme bereitstellten. Wie ich aufgewacht war und zwei meiner drei Kinder sich nicht mehr bewegten. Starr und kalt, all unserem Einsatz zum Trotz.

Sie ist wie ich.

Ich war nicht sicher, ob es die Erinnerung oder die Realisation war, die mir den Atem raubte.

Dieses gigantische, hässliche Ding ist wie ich! Und wenn ich nichts tue, sterben sie alle!

Ohne meine Flügel konnte ich mich nicht in die Luft erheben, also griff ich nach einer Ausbuchtung in ihrer Seite. Ich zog mich daran hoch, griff nach einer weiteren Hautfalte, zog mich höher, immer höher. Die Matriarchin klackerte leise. Dann spannte sich die Haut unter meinen Füßen. Ich stieß meinen Krallen so tief hinein, wie es ging, und ließ mich an der enormen Gestalt herabgleiten. Ich musste es mehrfach wiederholen, bis schließlich der Druck aufgestauter Flüssigkeiten die letzte Membran bersten ließ und sich ein übelriechender Schwall über mich ergoss. Eine eiserne Hand ergriff meinen Oberarm und zog mich aus dem Weg, bevor die herausfallende Gestalt mich überrollen konnte.

Während die alte Matriarchin ihren letzten Atemzug tat, schnappte die neue das erste Mal nach Luft. Der schleimige Haufen verhedderter Gliedmaße öffnete große, schwarze Augen und kämpfte sich auf wacklige Beine.

Allarand erhob sich in die Luft, lautlos wie ein Schatten, trug mich noch über die oberste Stufe hinaus auf einen kleinen, versteckten Vorsprung in der Wand, bevor die Kreatur unsere Existenz bemerken konnte.

“Schau gut hin, Singvogel”, streichelte seine Stimme meine Gedanken.

Die neue Matriarchin krächzte und klickte. Der fremdartige Gesang ihrer Stimme brachte die ganze Kuppel zum Schwingen. Zum Glück löste sich bis auf einige Erdklümpchen nichts mehr von der Decke. Dafür regten sich die zusammengesunkenen Gestalten auf den Stufen. Neben ihr begann der Boden dort, wo die Innereien der alten Matriarchin ihn benetzten, zu leuchten. Das fahle Grün wurde immer stärker, mischte sich mit anderen Farben als es zu allen Seiten wuchs und bald eine Stufe nach der anderen erfüllte.

“Magie!”, flüsterte ich voller Ehrfurcht.

“Biologie”, korrigierte Allarand, “Es ist ein sehr komplizierter, durch spezielle Enzyme im Geburtskanal einer Matriarchin gestarteter Prozess. Das Enzym wird nur gebildet, wenn eine Nachfolgerin in ihr heranwächst, und löst eine Reihe sich aufschaukelnder Mechanismen in den im Boden befindlichen Myzellen aus.”

“My-was?”, ich starrte gebannt auf das atemberaubende Spektakel.

“Pilze,” er zeigte auf eine Stelle an der Wand neben uns. Dort bildete sich gerade eben ein leuchtender Fleck. Er wurde zusehends größer, brach durch und lief schließlich als eine schleimige Substanz zähflüssig daran herab. Im Gegensatz zu dem Schleim, welchen der Wächter auf unserem Hinweg analysiert hatte, war dieser klar und voller biolumineszentem Farbenspiel. Die ersten sich langsam erhebenden Gestalten krochen darauf zu und begannen gierig, den Schleim mit aus ihren Mäulern ausrollenden Rüsseln aufzusaugen.

“Wenn die von einer sterbenden Matriarchin gespendete Wärme nachlässt, lagern die Pilze vermehrt Vorräte ein und ziehen sich in die Erde zurück”, erklärte der Wächter weiter.

“Wie eine Art Winterschlaf?”

“Korrekt,” Allarand zog einen Becher hervor, um die Flüssigkeit darin aufzufangen, “Wenn die exotherme Reaktion vonstatten geht, werden diese Vorräte ausgeschieden, stärken die Shi’Thrass und starten einen neuen Lebenszyklus für beide Spezies.”

“Was haben die Pilze davon?”, fasziniert betrachtete ich, wie auf den zuvor langweiligen Panzern der Trinkenden leuchtende Maserungen in den unterschiedlichsten Farben erstrahlten. Auf der untersten Stufe begann ein wahres Gedränge und Gerangel um die besten Positionen, als die zweitgrößten Shi’Thrass begannen, sich langsam umeinander zu drehen. Sie wiesen die schönsten und verschlungensten Musterungen auf.

Natürlich! Es waren Männchen beim Balztanz!

“Die Shi’Thrass kümmern sich um die Pflege der Pilze und ihre Ausscheidungen begründen deren Nährstoffbasis”, Allarand hielt mir den vollen Becher hin. Ich betrachtete den Inhalt argwöhnisch. Das absolut hinreißende Farbenspiel wollte mich nicht recht für die Konsistenz entschädigen, doch schließlich probierte ich.

“Lecker!”, ich fühlte die beschwingende Wirkung sofort, “Zuckersüß und … vergoren?”

Ich wollte mehr!

“Eine minimal dosiertes, natürliches Halluzinogen”, berichtigte mich mein Meister, “Vollkommen ungefährlich und – bis auf einen kleinen Kater – für Deine Spezies ohne bleibende Nachwirkungen. Ich hatte Dir schließlich ein Fest in Aussicht gestellt. Möchtest Du, dass ich die neue Matriarchin um einen Platz am Ehrentisch bemühe? Immerhin hast Du ihr Volk gerettet, da kann sie es schlecht verwehren.”

Nach einem ausgedehnten Moment der Überlegung schöpfte ich mehr farbigen Schleim in meinen Becher und lehnte mich mit einem entschlossenen Kopfschütteln zurück, um das inzwischen lautstarke Spektakel zu genießen.

“Eigentlich habt Ihr sie gerettet,” sinnierte ich nach dem dritten Becher, “Indem Ihr mich gerettet habt. Mir scheint, Ihr habt Euch damals verkalkuliert.”

Allarand lächelte wortlos.

Das Fest der Lichter