Freitag schnell nach der Arbeit nach Wesel fahren und da mal gucken, was so geht. So der Plan. Die Realität: anstrengendes Stop-and-go auf der Autobahn, bis ich endlich in das beschauliche Industriegebiet einfahre und nur noch wenige Minuten zum Aufbau habe. Das Autorenzelt ist natürlich noch nicht da. Aber ein kleiner Tisch in Halle 1 ist noch frei. Kein Platz fürs Glücksrad – egal, Hauptsache da sein!
Also schnell alles Nötige aus dem Auto schaffen. Lars baut seinen Pavillon direkt vor der Tür auf und wir grüßen uns im Vorbeigehen. Dann schnell das Auto weg. Keine Zeit fürs Zelt; das muss bis später warten.
Mein Nachbar für den Abend: Florian Clever. Find ich super, mit dem wollte ich mich eh austauschen. Das ging auch sehr gut, denn allzu viele Gäste kommen an dem Abend nicht mehr. Plötzlich ist es 21 Uhr und die Tische werden abgedeckt.
Ich packe also alles wieder ein und – mit einem Blick an den sich schnell verdunkelnden Himmel – gebe die Hoffnung auf, mein Zelt ohne künstliches Licht aufzubauen.
Doch die Orga ist wie immer superhilfsbereit und mit zwei anpackbereiten Jungs steht das von meiner Tochter geborgte Keilzelt schnell. Und was für ein Glück, denn kaum habe ich mich häuslich eingerichtet, klopft von außen die erste Nässe an die weißen Stoffwände. Erst zaghaft, dann zunehmend vehementer verlangt der Regen Aufmerksamkeit. Soll er haben … von anderen. Ich verkriech mich für die Nacht und höre mit halbem Ohr den Gesprächsfetzen meiner Nachbarn zu. Irgendwas mit Rollenspiel. Dann geht es um Whiskey. Da hätte ich mitreden können, doch ich bin zu bettschwer, um nochmal aufzustehen.

Der nächste Morgen präsentiert sich grau aber trocken. Die „Dusche“ ist noch nicht fertiggebaut, ein Katzenbad am Waschbecken muss es also tun. Frühstück gibt es, Brötchen mit Aufschnitt, Marmelade und Nutella, Äpfel, Kaffee, Tee, Milch und Orangensaft. Die vier Tische in der kleinen Schützenstube sind belegt, also setzte ich mich zu zwei anderen für ein genüssliches Mahl und etwas amüsiertes abnerden.
Als die aufbrechen und sich stattdessen das Autorenzelt an einem jetzt freien Tisch niederlässt, wechsel ich dorthin. Natürlich sind wir nicht pünktlich mit dem Aufbau fertig, doch bei der letzten Con in diesem Jahr ist mir auch nicht mehr nach Drängeln zumute. Ich packe einfach an, wo ich kann, und stelle dann mein eigenes Zeug bereit.
Ich darf ans Ende vom Tisch, direkt neben den riesigen Drachen. Hinter uns die Gesellschaftsspieltische und die Kinderbelustigung, rechts der Rollenspiel-Pavillion, links die Halle. Der Mittelalterteil ist diesmal mit vorne, da letztes Jahr zu wenige Besucher den Weg nach hinten gefunden haben. Die Sonne hat die letzten Wolken vertrieben und beleuchtet eine entspannte Szenerie gut gelaunter Aussteller und Besucher. Herrlich.

Nur ab und an müssen wir aufstehen und den Pavillon festhalten. Vorsichtshalber. Mein scherzender Kommentar, als wir mal wieder alle einen Arm an den Stangen über uns haben: „Kommt zum Autorenzelt! Nur hier bekommt Ihr das authentische Bussfahrgefühl!“

Mein Mann ruft an. Unsere Tochter hat den Rest der Familie ausgesperrt und statt Museumstour kommen sie nun mich besuchen, um den einzigen erreichbaren Haustürschlüssel abzuholen. Natürlich bleiben sie, denn bei 1,5 Stunden pro Weg lohnt sich jetzt auch nichts anderes mehr. Macht nix; auch mit meinem Sohn auf dem Schoss kann ich das ein oder andere Buch verkaufen. Alles in allem ein entspannter Tag, der auch finanziell ganz gut aussieht. Irgendwann machen sich sowohl meine Familie als auch meine zwei Nachbarautorinnen auf den Heimweg und ich rücke mit meiner Mantaplatte auf, um mit den anderen Autoren zu schnacken.
„Ja, guck!“, frotzelt Florian im Vorbeigehen und zeigt auf den leeren Tisch vor mir, „Die Kim Nexus, die hat’s raus. Bei der ist schon alles ausverkauft!“
Ich grinse zurück. Schön wär‘s …
Vorsichtshalber packen wir den Verkaufspavillon und die Tische zu Feierabend ein. Abdecken müssen wir ja eh. Das Lesezelt selbst scheint gut genug am Boden zu halten, das lassen wir stehen.
Da ich davon ausgehe, dass meine Nachbarn wieder bis in die Puppen wach sein werden, frage ich Lars, ob er noch was vorhat. Er meint, er könne wohl spontan eine DSA-Runde meistern, falls wir noch ein paar Leute finden.
Florian ist von der Idee angetan „Mein altes System!“
Ich auch, „Hey cool, Autorenrunde!“
Leider hat Florians Tochter an dem Abend keine Beschäftigung und Papa muss herhalten. DSA ist wohl nicht ihr Ding … Schade. Vielleicht nächstes Mal.

Lars und ich diskutieren grade die Alternativen, als plötzlich die Zelte abheben. Menschen hängen plötzlich an den Stangen des Gesellschaftsspiele-Pavillions. Der kleinere, leere Rollenspiel-Pavillion hebt ab und hängt kurzzeitig in den Bäumen am Rand des Geländes. Da zeigt sich die Natur der lokalen Community. Sofort strömen von überall Leute, um mit anzupacken. Die anfängliche Verwirrung weicht schnell Anweisungen der Orga und wir lösen die Dachhaut, sichern die Stangen, räumen den letzten Ausstellungstisch unterm Pavillon ab. Kaum sind die großen Pavillons gesichert, wird das Lesezelt abgebaut. Besser nichts riskieren. Alles wird von fleißigen Händen in die Halle geschafft. Hauptsache erst mal rein! Leider hat die unerwartet heftige Sturmböe einige Stangen verknickt und nachdem der Rest erledigt ist, begutachtet die Orga den Schaden, nimmt das Gestänge auseinander und setzt es zum Teil neu zusammen, während das Licht schwindet.
Lars hat seinen Pavillon von allen Seiten verschlossen und gesichert. Der ist mit Traversen gebaut und wird wohl eher nicht das Weite suchen. 21:30 Uhr. Wir beschließen, die angeschlagenen Rollenspielrunden zu suchen. Vielleicht können wir ja noch irgendwo einsteigen.
Tatsächlich läuft eine Cthulhu-Runde mit nur zwei Spielern. Wir dürfen gerne mitmachen. Auf dem Weg zurück ins Zelt, wo ich noch etwas zu knabbern und Getränke habe, tröpfelt es schon. Auf dem Weg zurück ins Schützenheim halte ich mit meiner über den Kopf gehaltenen Jacke den schlimmsten Regen ab. Kaum sitze ich wieder am Tisch, trommelt draußen vor dem Fenster der Weltuntergang fröhlich vor sich hin. Na ja … passende Stimmung für ein Horror-Szenario, nicht?

Auch am Sonntag wird das Grau schnell von der Sonne vertrieben. Die „Dusche“ geht jetzt. Es ist eine Solar-Gartendusche in einer aus OSB-Platten zusammengeschraubten Kabine. Vor mir waren schon zwei Leute, also nix mit Warmwasser.
Egal, ist trotzdem schneller und gründlicher als am Waschbecken. Zumal die Hähne im WC schon morgens mit Kondenswasser überzogen sind. Super für eine Abkühlung am Nachmittag, ganz brauchbar für einen Schock in den Tag.
Das Frühstück an diesem Morgen ist auch zum Schreien – zum Schreien komisch. Lars und eine der Mittelalterstandbesitzerin tauschen Anekdoten über schulische Fehlplanungen aus, die das Zwergfell kitzeln. Da kann man mir sicher verzeihen, dass ich länger verweile, als ich vielleicht sollte.
Dank der stürmischen Natur des vorherigen Abends müssen wir immerhin alles neu aufbauen. Doch die Orga ist schon kräftig dabei und bald ist auch das Autorenzelt bereit für Kundschaft. Auch dieser Tag fliegt in einem Strudel spannender Gespräche (und dem ein oder anderen Verkauf) vorbei. Das ungeschlagen beste davon: Ein Junge, welcher am vorherigen Abend an meinen Stand gekommen und ohne viel Aufhebens Band 1 gekauft hatte, kommt mit seiner Mutter wieder und sagt: „Ich hab gestern den ersten Teil gekauft. Ich hab ihn durch und er gefällt mir gut; ich hätte gerne Band 2.“
Respekt!
Ich erinnere mich an Zeiten, als ich die Wochenenden mit einem Buch in der Hand verbrachte, dicke Fantasy-Schinken, die ich nicht mal ablegte, um mir was zu Trinken zu holen oder auf Klo zu gehen. Doch selbst in dem Alter war ich nicht SO schnell …

Bald ist es Zeit zum finalen Abbau. Meine letzte Con dieses Jahr, noch kein Plan, ob ich nächstes Jahr überhaupt dazu komme, welche zu besuchen. Ein wenig Wehmütigkeit setzt schon ein, vor allem, als ich die Heringe ziehe und das Keilzelt umschmeiße. Doch ich denke, spätestens übernächstes Jahr gehe ich wieder auf Tour. Und vielleicht kriegen Lars, Florian und ich dann doch noch diese DSA-Runde hin. Ich mach eine mentale Notiz, meinen alten Charakter beiseitezulegen, sollte er mir beim Aufräumen in die Hände fallen.
Schelme zu spielen macht halt Spaß.

Hier noch einige Bilder:

Die NRC 2024 – Starkregen, Sturmböen und ein spaßiges Wochenende