SERGEY\\ LIPPENLESEN

[Kurzer Hintergrund/Erinnerung: Sergey wurde gerade zum Colonel befördert. Yelena, Ghost und Mikhail sind seine Sergeants. Kesha ist Yelenas stellvertretende Squadleiterin, Echohawk Ghosts Stellvertreter. Sie sitzen zusammen in der Messe und essen zu Mittag.]


Ein paar Minuten später hustete Echohawk plötzlich und konnte die letzten Fischfasern kaum zwischen seinen zuckenden Lippen halten, während seine Augen auf einen Punkt außerhalb ihrer Gesellschaft gerichtet waren. Etwa zwei Sekunden später zuckten Ghosts Mundwinkel und er presste seine Lippen aufeinander.

„Was ist daran so lustig?“, die Falten auf Yelenas Gesicht wurden tiefer, als sie die Reaktion wahrscheinlich als Kommentar zu dem auffasste, was sie gerade gesagt hatte.

Aber Ghost sah sie nicht an, sondern deutete nur an, dass sie noch ein paar Minuten bräuchten, um ihre Aufgabe zu erledigen.

Sergey und Yelena tauschten einen Blick aus und senkten dann erneut die Köpfe über ihre Teller, während ihre Augen suchten, wo sich die Blicke der beiden Infiltratoren kreuzten. Wer war das Ziel der heutigen Lippenleseübung?

„Sie belauschen deinen Schwarm“, Kesha schien allein diese Tatsache unterhaltsam zu finden, während ein schelmisches Funkeln in ihren Augen aufflackerte, „Glaubst du, sie reden über dich?“

„Ich habe keinen Schwarm“, brummte Sergey, während er vorsichtig zu der Stelle hinüberschaute, wohin sie mit einer winzigen Kopfbewegung gedeutet hatte.

Und tatsächlich, während Ghost sich leicht gedreht hatte, um den besten Blickwinkel zu haben, um Felicitys Lippen zu lesen, waren die Augen seines Stellvertreters auf die ihrer Tischnachbarin Heidi Rivers gerichtet. Die beiden Frauen saßen allein in einer Ecke, zu weit weg, um dem Trubel in der voll besetzten Kantine zu lauschen. Während Rivers ihr Fischgericht scheinbar als Nebensache des Gesprächs behandelte und mehr den Mund als die Hand bewegte, welche ihre Gabel hielt, funkelte Felicity sie nur an, und stocherte demonstrativ auf ihren griechischen Salat ein.

Entgegen seiner Worte war Sergey doch neugierig und sein Gulasch schmeckte nicht mehr so gut, da er unbedingt einen Blick auf den Chat werfen wollte, in dem seine Infiltratoren das Gespräch zusammenfassten, von dem jeder eine Seite protokollierte. Er musste noch vier Minuten warten, bis sie beschlossen, dass der interessante Teil des Gesprächs vorbei war und sich bereit machten, mit der Sprache herauszurücken. Leere, das war doch nicht so wichtig!

„Sind wir sicher, dass die Wissenschaftlerin keine Spartanerin ist?“, fragte Echohawk noch einmal nach. „Ich meine, ich weiß, was in ihrer Akte steht, aber nach dem, was sie angedeutet hat, scheint sie einen kleinen Harem zu haben.“

„Ach, hör auf uns auf die Folter zu spannen“, Kesha beugte sich vor. „Spuck’s schon aus! Was war so lustig?“

„Na ja, willst du nur das oder auch den Kontext?“, er kratzte die Reste seiner zerdrückten Erbsen zusammen und leckte seinen Löffel betont langsam ab.

„Komm schon, Jake, niemand mag Klugscheißer!“ Yelena lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Wir können das neue Rufzeichen immer noch zurücknehmen, weißt du?“

Echohawk warf Ghost einen Blick zu, woraufhin dieser mit den Achseln zuckte, als wollte er sagen: „Ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht mit ihnen anlegen sollst.“

„Okay, okay“, er hielt beide Arme hoch, „also, die Wissenschaftlerin hat darüber gejammert, dass sie ihr Lieblingsboytoy verloren hat, und überlegt, ob der XO vielleicht Interesse hat, ihn zu ersetzen …“

Kesha pfiff.

„… Aber Dr. Fox sagte ihr, sie solle ihn da raushalten“, Ghost prüfte die Temperatur seines Tees mit einem vorsichtigen Schluck, „und meinte, sie sei nur interessiert, weil er die rechte Hand des Kapitäns sei, und das würde die Angelegenheit für alle Beteiligten furchtbar verkomplizieren.“

„Kernweltler“, murmelte Mikhail und schüttelte angewidert den Kopf.

Aus irgendeinem hirnrissigen Grund fühlte sich Sergey seltsam erleichtert bei dem Gedanken, dass er sich zumindest nicht mit diesem Mist herumschlagen musste …

„Da bekam Fr. Rivers diesen verschmitzten Gesichtsausdruck und wechselte scheinbar das Thema, indem sie sagte, dass sie angesichts unseres Ziels und der Tatsache, dass wir das System bald verlassen werden, so viel Lesestoff wie möglich mitnehmen sollten. Sie fragte Dr. Fox“, Echohawks Stimme wechselte zu einer überraschend guten Imitation der Stimme und des Ausdrucks der Frau, ‚‘Sag mal, denkst du, du hast genug von diesen medizinischen Fachzeitschriften und den heißen Liebesromanen? Vielleicht solltest du ‚Die Kanone des Colonels‘ mal probieren, ich habe gehört, das ist ein riiiesiger Bestseller.‘“

Jetzt war es an Kesha, ihr Dessert beinahe über den ganzen Tisch zu verteilen. Sergey umklammerte seine Tasse fester und hob sie an, um den plötzlichen Drang, zu husten, mit einem Schluck Tee zu unterdrücken.

„Du veräppelst uns!“, rief Yelena, „Das hat sie doch nicht wirklich gesagt!“

„Nein! Ich meine, ja! Das hat sie wirklich gesagt!“

Alle blickten Ghost an.

Er nickte bestätigend und warf Sergey einen Blick zu, bevor er fortfuhr: „Ich glaube, das hat sie getan, denn daraufhin antwortete Dr. Fox mit finsterer Miene: ‚Du weißt, dass ich keine Militärromanzen lese.‘

“Und Rivers erwiderte: „Ich denke, du solltest für dieses Buch eine Ausnahme machen“, mischte sich Echohawk wieder ein, „es könnte sich wirklich lohnen. Ich habe gehört, dass es großartige Kritiken gibt.“

Unterdrücktes Gelächter stieg am Tisch auf. Plötzlich spürte Sergey eine unerwartete Hitze in seinem Nacken aufsteigen und er trank seinen Becher leer.

„Nun, ich frage mich, wo sie die gefunden hat!?“ Yelena zwinkerte, und sogar Mikhail und Kesha grinsten breit.

„In ihrer Fantasie, würde ich meinen“, Sergey stellte seinen Becher mit etwas zu viel Kraft ab und griff nach der Teekanne.

„Bei ihrer Promiskuität hat sie vielleicht selbst versucht, einen Blick in das Buch zu werfen“, neckte Kesha und zog die Kanne weiter weg.

„Ich bin sicher, dass sie das nicht getan hat“, er umfasste den Griff der Kanne und funkelte sie mit zusammengekniffenen Augen an.

Sie ließ los und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen: „Vielleicht ist sie einfach noch nicht dazu gekommen, es selbst zu lesen.“

Mehr Kichern und Schnauben. Sogar Ghost verzog die Mundwinkel nach oben.

„Ich glaube, dieses Buch ist momentan ausverkauft“, er schob die Zuckerdose rüber, gerade als Sergey danach greifen wollte, „Es sind nur noch ein paar kostbare Exemplare übrig.“

Yelena nahm die Dose, sobald Sergey damit fertig war, „Was willst du damit sagen? Dass es sich bei der ‚Kanone des Colonels‘ um gebrauchte Literatur handelt?“

Kesha, die gerade erst wieder zu Atem gekommen war, brach in schallendes Gelächter aus. Die Leute an den Nachbartischen begannen, sie anzustarren. Felicity auch.

Mist.

„Vielleicht eher um Einhandliteratur, wenn man den Titel bedenkt“, konterte Echohawk kühn.

Mikhail und Kesha zuckten zusammen. Sergey funkelte den Infiltrator an. Ghost tippte seinem Vorgesetzten sanft mit zwei Fingern auf den Arm. Ah, er hatte recht … sich darüber aufzuregen, würde nur die Belustigung der anderen steigern. Es war sowieso alles kindischer Unsinn. Sie machten nur Witze über das, worüber am anderen Tisch gescherzt worden war.

Anstatt dem jüngeren Mann die Meinung zu geigen, löffelte Sergey also ruhig Zucker in seinen Tee und fragte: „Gibt es noch andere interessante Neuigkeiten, die du vielleicht teilen möchtest?“

„Nein, danach war das Gespräch so ziemlch beendet“, zumindest wusste Echohawk, wann es genug war.

„Obgleich Fr. Rivers versuchte, das Thema wieder aufzugreifen, als sie fragte, ob Dr. Fox wirklich auf die Gelegenheit verzichten würde, an der Regimentsgründungsparty teilzunehmen, nur weil du sie eingeladen hattest.“

Sergey wandte sich Ghost zu: „Und?“

„Tut mir leid“, sein Freund hielt ihm den Milchersatz hin, „sie sagte, sie hätte bereits andere Pläne.“

„Schade“, warf Kesha ein, „betrunken und entspannt hätte sie vielleicht doch Interesse daran gehabt, diese besondere Literatur aus erster Hand zu erleben.“

Als ein weiterer Anfall von Heiterkeit ihn von allen Seiten umspülte, schloss Sergey kurz die Augen und dachte beruhigende Gedanken, während der dunkle Duft von schwarzem Tee seine Nase kitzelte und dann bis in seinen Magen brannte. Es bestand wohl keine Chance, dass sie diese Sache jemals auf sich beruhen lassen würden, oder?

YELENA\\ ZWEITE GELEGENHEIT

„Was ist passiert?“, Yelena übersprang einen Schritt, um mit seinem unerwarteten Tempo Schritt zu halten, als ihr Freund und Kommandant um die Biegung des Korridors stürmte, den sie gerade von einer T-Kreuzung aus betreten hatte. Eine knappe Nachricht per Comms hatte sie aufgefordert, sich ihm anzuschließen. Doch statt einer Erklärung schüttelte Sergey nur den Kopf und winkte ihr zu folgen, während er weitereilte. Seine Paradeuniform war etwas zerknittert. Ein sehr schwacher Geruch von unbekanntem Alkohol wehte zu ihr herüber. Was auch immer beim Treffen mit dem Kapitän und der Senior Commander vorgefallen war, es hatte ihn aus der Fassung gebracht. So neben sich hatte sie ihn schon lange nicht mehr gesehen.
Für ihr Platoon würde es nicht wie gewohnt weitergehen, so viel stand fest.
Was also dann? Wo sollten sie hin und warum? Was für Befehle könnte Mama Tasha gegeben haben, um ihn derart zu beunruhigen?
Sie eilten an einer mit Brandspuren übersäten Wand und einigen Überresten hastig errichteter Barrieren vorbei, welche nach dem Piratenangriff noch nicht entfernt worden waren, trafen jedoch keine Menschenseele. Da sie noch nicht lange auf dem Schiff verweilten und noch nie den Teil betreten hatten, welchen Sergey jetzt ansteuerte, dauerte es eine Weile, bis Yelena begriff, wohin sie unterwegs waren.
Die Turnhalle des Gateshot-Militärs.
Sergey folgte also höchstwahrscheinlich einer BCI-Markierung, um zu Sgt. Maj. Thompson zu gelangen, dem so genannten Anführer dessen, was sich auf diesem Kahn als Militär ausgab. Doch warum sollte er mit diesem Idiot sprechen wollen? Die beiden Männer waren sich fast an die Gurgel gegangen, weil Sergey das Magiermädchen und einen von Thompsons Spartanern inhaftiert hatte, nachdem diese seine direkten Befehle ignoriert und unter den Augen der Voidwalker ein Kriegsverbrechen begangen hatten. Ein Verbrechen, welches den Rest des Einsatzteams gefährdete und sie das velorianische Schiff kostete, das sie geentert und unter Kontrolle gebracht hatten. Thompson forderte Sergey sogar zu einem Duell heraus, zog sich dann aber zurück, wahrscheinlich nachdem der Admiral ihm den Befehl dazu gegeben hatte.
Scheiße!
Yelenas Augen weiteten sich, als sie den wahrscheinlichen Zweck dieses Ausflugs erkannte. Warum er sie mit einbezogen hatte. Und den einzig plausible Grund, warum es jetzt geschehen musste.
„Hat ja lang genug gedauert“, murmelte Sergey in Voidcant, “Du bist doch nicht etwa eingerostet?“
„Wie das? Du trägst mehr Metall in dir als ich,” scherzte sie zurück.
Er schnaubte.
„Außerdem misst du seiner Ehre zu viel Bedeutung bei. Er ist ein Spartaner“
Jeder Plutonier wusste, dass diese unprofessionellen, promiskuitiven Kernweltler ein besonderes Ärgernis darstellten, noch vor KIs und selbstdenkenden Robotern. Sie vögelten in ihren eigenen Einheiten herum, verschwendeten ihre Zeit mit endlosen, sinnlosen Fitnessübungen, anstatt ehrliche, sinnvolle Arbeit zu leisten… Pah!
„Er hat sich beim Piratenangriff gut geschlagen“, Sergeys Tonfall ließ keinen Raum für Widerspruch, als er den Haupteingang der Sporthalle passierte, „Und dies könnte unsere letzte Chance sein, das aus der Welt zu schaffen, bevor alles kompliziert wird.“
Als ob das nicht schon der Fall wäre …

„Wollen die mich verarschen?“ sprach Sergey Yelenas Gedanken aus, als sie vor einer mit Kletterseilen und -hilfsmitteln bestückten Wand anhielten. Ein Blick nach oben offenbarte, dass die grünen Pfeile in ihrer BCI-Navigation in die zweite Etage zeigten, wo sich ein Laufsteg um die Hälfte des großen Raumes herum erstreckte. Mehrere Plattformen zweigten davon ab und ragten über ihnen. Gute Positionen für einen Hinterhalt. Aus der Wand entsprangen acht Türen. Die von ihnen aus gesehen am weitesten links gelegene war ihr Ziel.
„Noch ein Hangar?“, Yelena schüttelte den Kopf, „Was für eine Platzverschwendung.“
Nicht, dass dieser Hangar als solcher genutzt wurde. Das Erdgeschoss war mit Fitnessgeräten vollgestopft. Mehrere Boxringe, ein Parcours, eine Tür mit der Aufschrift „Schießstand“. Die vierzehn Personen in Trainingskleidung, welche ihnen verstohlene Blicke zuwarfen, füllten den großen Raum nicht mal ansatzweise.
„Was für eine Energieverschwendung, seine Leute diesen Scheiß hochklettern zu lassen, nur um mit einem zu reden“, knurrte Sergey so laut, dass es jeder hören konnte, „und ich dachte, Thompson könnte kein größerer dupka sein!“
Scheiße, er war wirklich stinksauer… was zum Teufel war in diesem Büro passiert? Nun, wenn sie ihn richtig verstanden hatte und sie deshalb an Bord bleiben und mit den Kernweltlern zusammenarbeiten mussten, war es auf jeden Fall nichts Gutes …
Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür, auf die sie zusteuerten, und ihr Ziel betrat den Laufsteg. Seinen großen, kantigen Kopf über einen Stapel Datenfolien gebeugt, schien Thompson in ein Gespräch mit einer anderen Spartanerin vertieft zu sein. Seine Stellvertreterin, die promiskuitive Schwarze, die er angeblich so unprofessionell war, zu daten. Sie bemerkte Sergey und Yelena zuerst und versetzte ihrem Vorgesetzten einen schnellen Stoß in die Rippen. Thompsons Blick folgte ihrer Geste und die beiden länglichen Partien dicker schwarzer Haare, die auf seiner Stirn wuchsen, verschmolzen zu einer einzigen Monobraue. Fast wäre er für einen Schritt ins Stocken geraten, doch dann verdoppelte er sein Tempo.
Sergey glättete seine Miene und verschränkte die Arme, während er darauf wartete, dass der andere Mann ganz bis zum Vorsprung kam und sich über das Geländer daneben lehnte.
„Lt. Federov“, Thompson warf einen kurzen Blick auf die nicht ganz so unauffälligen Zuschauer, “kann ich Ihnen helfen?“
„Da. Wir müssen reden“, ein verschmitztes Glitzern ersetzte die Verärgerung im guten Auge ihres Freundes, als er sich demonstrativ umschaute, “Warum bleiben Sie nicht einfach dort stehen? Wir kommen hoch.“
Der große Kernweltler schien etwas verblüfft, als er auf die Seile zeigte: „Wir … ähm …“
„Niete, ist schon gut“, Sergey lächelte breit, wie damals auf Space-Nav 358, kurz bevor er diesem rotzfrechen Vorarbeiter die Fresse einschlug, „Wir sind schließlich gekommen, um mit Ihnen zu reden. Und Sie wollen das vielleicht nicht in der Öffentlichkeit besprechen. Wir werden den Weg nach oben finden, daniete?“
Dieser letzte Satz war an sie gerichtet, also nickte Yelena. Sie wusste, dass sie ihm in dieser Stimmung nicht widersprechen sollte. Was auch immer er vorhatte, es würde bestimmt lustig werden. Also passte sie sich seinem Lächeln und seinem quälend langsamen Schritttempo an, als er sich umdrehte und auf eine Tür in der Seitenwand zusteuerte, welche sich auf halbem Weg zurück in der Richtung befand, aus der sie gekommen waren.
In schwatzhaftem Tonfall murmelte sie in ihrer Muttersprache: „Eine Rationsmünze, wenn du ihn dazu bringst, eine Vene platzen zu lassen.”
Sergey lachte, als hätte sie einen großartigen Scherz gemacht. Seine künstliche Hand deutete an, dass er die Herausforderung annahm.
Während sie sich im Schneckentempo fortbewegten, plauderten sie munter drauflos. Das meiste war Unsinn. Die zufälligen, nichtssagenden Wörter und Phrasen in Voidcant waren ein tief verwurzeltes Hin und Her, das vor langer Zeit entwickelt wurde, um sich besser in eine Menschenmenge einzufügen und Außenstehende zu beruhigen … oder in diesem Fall zu verunsichern. Es war auch gut, um echte Gespräche, die in ihren Köpfen und mit ihren Händen stattfanden, zu verschleiern. Etwas fiel ihrem Vorgesetzten auf und er blieb stehen. Eine gute halbe Minute lang verfolgte er die Bewegungen der vier Leute, welche sich in Paaren zum Nahkampftraining zusammengefunden hatten, bevor er sie auf diese verdeckte Art fragte: „Sag Yelena, siehst Du das Problem?“
Auch sie ließ sich Zeit, denn es war eine subtile Sache, auf die er anspielte, und sie war sich anfangs nicht ganz sicher.
„Mir scheint, entweder haben sie alle einen genetischen Defekt oder zumindest einer ihrer Trainer hat eine Bewegungseinschränkung in der rechten Schulter, welche sie unbewusst nachahmen.“
Zufrieden mit ihrer Beobachtung, nickte er. Sie gingen weiter, dann machten sie eine Show daraus, den jeweils anderen zuerst durch die Tür zu winken. Sergeys Worte versickerten, kaum dass sie die schmale Treppe dahinter betraten. Nervosität übernahm seine Bewegungen und er erklomm die erste Treppe mit seiner gewohnt effizienten Geschwindigkeit, bevor er sich zwang, auf dem Treppenabsatz innezuhalten und ein paar Herzschläge abzuwarten. Seine künstliche Rechte schloss sich kurz zu einer Faust, dann entspannte sie sich wieder.
„Vielleicht hätte ich den Botschafter abweisen sollen, als er bat, uns zu begleiten“, sinnierte er.
„Es bringt Unglück, einen Voidpriester abzulehnen“, Yelena blieb neben ihm stehen und überzeugte sich davon, dass es für die Spartaner keine sichtbaren Möglichkeiten gab, sie zu beobachten – weder für die, zu denen sie unterwegs waren, noch für die im Erdgeschoss.
Eine beiläufige Weisheit, die ihr ein anderer Priester einmal mitgegeben hatte. Obwohl der Gedanke … Nein, sicherlich hatte nicht einmal Sergey den Mumm, Mama Tashas Erstgeborenem eine Abfuhr zu erteilen und dafür ihren Zorn zu riskieren. Wären die jüngsten Ereignisse anders verlaufen, hätte sie das höchstwahrscheinlich um die Chance gebracht, das, was die Senior Commander ihrem Vollstrecker aufgetragen hatte, zurückzubekommen, überhaupt zu erreichen. … Das hätte übel ausgehen können. Diese Art von Versagen konnte dazu führen, dass man in einen sehr ungemütlichen Winkel des Weltraums abkommandiert … oder, na ja, durch ein außerirdisches Raumtor in einen feindlichen Teil der Galaxie verschifft wurde. Ein Schicksal, das angesichts des seltsamen Verhaltens ihres Freundes plötzlich sehr wahrscheinlich erschien …
Hatten sie also doch schlechte Arbeit geleistet? War das Ding, das sie sicherstellen sollten, nicht in diesem von der Leere verlassenen Container gewesen? Oder wurden sie dafür bestraft, dass sie die [it]Gateshot[] und ihre Glücksritter-Crew angeschleppt hatten? Eine Crew, zu der möglicherweise sogar ein außerirdischer Roboter und der sagenumwobene Rasputin gehörten?
Sergey warf ihr diesen Blick zu, als könnte er manchmal direkt durch sie hindurchsehen, direkt in ihre Gedanken. Er erkannte zweifelsohne, wie sie in Blödsinnterritorium abdriftete, also hielt sie ihre Gedanken davon ab, weiter abzuschweifen. Er würde die Details zu gegebener Zeit mit ihr teilen. Wenn es ihm erlaubt war und er es für angemessen hielt.
Als Antwort auf sein leichtes Grinsen zuckte Yelena mit den Achseln: „Fein, ich verstehe, was Du meinst. Bringen wir es hinter uns, damit wir was trinken gehen können?“
“Jupp.”
Sie setzten ihren Weg in einem nicht mehr ganz so gemächlichen Tempo wie zuvor fort.
Hinter der Schwelle der oberen Tür lungerten die beiden Kernweltler herum. Sie wendeten sich gerade voneinander und möglicherweise einer hitzigen Diskussion ab. Ihrem unzufriedenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte die Hure wohl verloren.
Thompson richtete sich zu seiner vollen Größe auf und rupfte mit sichtlicher Mühe seine Monobraue zurück in zwei Teile, „Lt. Federov, ich wollte gerade die Leute besuchen, die Ihre Mission auf die Intensivstation gebracht hat. Also was auch immer Sie wollen, machen Sie es kurz!“
„Tatsächlich bin ich hier, um Ihnen einen Gefallen zu tun“, eisige Ruhe ließ Sergeys Stimme leise klingen.
Thompsons Schultern zogen sich weiter zurück, das einzige Anzeichen für seine plötzliche Überraschung.
Sergey machte eine vage Geste, „Da unsere ursprüngliche Mission abgeschlossen ist und die Aufräumarbeiten gut vorankommen, nehme ich an, dass der Druck, der Sie davon abgehalten hat, unsere Meinungsverschiedenheit zu einem ehrenhaften Ende zu führen, nachgelassen hat.“
Der Spartaner leckte sich über die Lippen, sein Blick wanderte zu dem Doppelstern, welcher auf der Paradeuniform seines Gegenübers prangte, bevor er kurz zu den Männern und Frauen blickte, die von unten heraufschauten, „Und wenn das so wäre?“
„In diesem Fall bin ich bereit, Ihnen eine weitere Chance anzubieten, dort weiterzumachen, wo wir so unsanft unterbrochen wurden. Zweite Chancen sind schließlich selten und das Bedauern über das Versäumte hält oft lange an. Sollten Sie daran interessiert sein, würde ich so tun, als hätten Sie Ihre Herausforderung nie zurückgezogen und wir könnten von dort fortfahren.“
Während die Augen der Hure beinahe hektisch von Sergey zu Thompson und wieder zurück wanderten, blieb die riesige Gestalt des Mannes an ihrer Seite fast eine Minute lang regungslos. Das einzige, was sich bewegte, waren seine haselnussbraunen Augen, welche den Plutonier vor ihm zu durchbohren suchten. Leises Grunzen und das Geräusch schwerer Dinge, welche auf gleichmäßigen, geordneten Bahnen angehoben und wieder abgesetzt wurden, übertönten beinahe das leichte Rascheln von vier mit erzwungener Gelassenheit atmenden Menschen. Schließlich schüttelte Thompson den Kopf.
„Ich danke Ihnen für das Angebot, Lieutenant. Es ist sehr … rücksichtsvoll von Ihnen, mir diese Chance zu eröffnen. Allerdings trage ich eine Menge Verantwortung, welche es mir nicht erlaubt, das Risiko einzugehen. Das gilt zweifellos auch für Sie. Wie auch immer es ausginge, es könnte sich als zu nachteilig für unsere Leute erweisen, um die Befriedigung eines kurzlebigen, persönlichen Grolls aufzuwiegen. Dennoch“, der Spartaner streckte eine übergroße Pfote aus, „weiß ich Ihre Überlegung zu schätzen. Es scheint, dass Sie mir mehr Achtung entgegenbringen, als ich vielleicht vermutet habe.“
Schade …
Falls Sergey enttäuscht war, überspielte er es gekonnt. Mit einer resoluten Geste schloss er seine augmentierten Finger um das angebotene Gliedmaß und schüttelte es, „Das mag für uns beide gelten.“
Es folgte kein kleinliches Kräftemessen, keine schlecht versteckten Anzeichen von nonverbaler Uneinigkeit oder spitze Blicke. Was war hier los? Die beiden Männer trennten sich mit einem kurzen, respektvollen Nicken, dann zog Sergey Yelena sanft zur Seite, damit die Spartaner passieren konnten.
Ihre Kameraden würden das niemals glauben!
„Was ist gerade passiert?“, flüsterte Yelena, bevor sich die Tür vollständig hinter ihren Gesprächspartnern schließen konnte.
Sergey zuckte mit den Schultern, als kümmerte es ihn nicht. In Standard und laut genug, dass auch die anderen beiden es hören konnten, verkündete er: „Maj. Thompson scheint tatsächlich lernfähig zu sein. Vielleicht können wir in Zukunft wirklich zusammenarbeiten.“
Alle erstarrten. Thompsons Fingerknöchel auf dem Türknauf schienen sich ein oder zwei Nuancen zu erhellen, als sein massiger Kopf zurückschwang, um sie anzustarren. Unten verstummten die Geräusche.
Yelena erkannte ihr Stichwort und fragte, ebenfalls im Standard, „Also bleiben wir?“
„In der Tat“, ihr Vorgesetzter presste kurz die Lippen aufeinander, „Adm. MacAllister verlangte explizit nach uns.“
Die Monobraue auf Thompsons Stirn schnappte mit Wucht an ihren Platz zurück.
Scheiße, jetzt schuldete sie Sergey wirklich eine Münze.

SERGEY\\ EHRE UND SO

[Vorgeschmack auf Band 5] [Kapitel 1]

„Ihr eigenes Regiment auf einer Langzeitmission zu führen ist ein großer Karriereschritt, nicht wahr? Das wird doch sicherlich mit einer Beförderung einhergehen,“ sinnierte der Admiral.
„Ich bin bereits weiter aufgestiegen, als ich es je wollte!“, Sergey starrte auf das Spinnennetz aus winzigen Rissen, welche auf dem Trinkgefäß in seiner rechten Hand erschienen. Ein leises Knistern hallte im plötzlich geradezu klaustrophobischen Büro des Kapitäns wider, „Warum schiebt man mir ständig mehr Verantwortung in die Schuhe?“
Plutos gefrorene Eisbälle!

Den Voidwalker störte es nicht, Adm. MacAllisters hübsches kleines Trinkglas zu beschädigen. Und es ließ ihn auch völlig kalt, dass er sich vor ein paar Minuten in einer Schimpftirade über die Situation ausgelassen hatte. Tatsächlich hatte es ihm sogar ein kleines Maß an Befriedigung verschafft, zu sehen, wie diese kratzbürstige außerirdische Roboterfrau bei seiner Wortwahl errötete und der Botschafter sie zur Tür herausscheuchte. Nein, das war alles in Ordnung. Es war die einzig vernünftige Reaktion darauf, in diese irrsinnige Situation gestoßen zu werden. Was Sergey störte, war, dass er für einen Moment die Kontrolle über seine künstliche Hand verloren hatte. Ein Sekundenbruchteil genügte, um jemandem das Genick zu brechen. Das war nicht akzeptabel, selbst wenn er gerade erst abkommandiert worden war, um ein verdammtes Regiment in von der Leere verfluchten außerirdischen Raum zu führen, um auf einen Haufen idiotischer Kernweltler aufzupassen, damit sie keinen weiteren Blödsinn anstellten, der auf seine Heimat zurückfallen könnte!
Sehr langsam ließ er den Druck in seinen Fingern entweichen. Der Tumbler hielt. Kein Tropfen der bernsteinfarbenen Flüssigkeit tropfte aus seinem Inneren auf den blitzsauberen Konferenztisch.
MacAllister zeigte sich vom Verhalten seines Gegenübers unbeeindruckt. Oder vielleicht war ihm die wahre Tragweite des inneren Konflikts hinter dem Pokerface des anderen nicht bewusst. Stattdessen betrachtete der alte Mann den Inhalt seines eigenen Tumblers, bevor er davon trank, „Wahrscheinlich, weil man erkennt, dass Sie damit umgehen können.“
Klar …

Sergey presste die Lippen fest aufeinander. Nachdem er den Alkohol hinuntergekippt hatte, stellte er die Frage, die ihm unter den Nägeln brannte: „Warum? Warum ich?“
Sicherlich hatte der Admiral diese brillante Idee nicht zu Ende gedacht! Oder er war ein Narr, der nicht sehen konnte, was für ein tiefes Loch er gerade bereitwillig für sich und seine Crew gegraben hatte, indem er ausgerechnet nach Sergeys Aufsicht bei dieser Mission verlangte! Er schien ein kluger Kerl zu sein … für einen Kernweltler. Warum sollte er so etwas Dummes tun? Sah er nicht, was für ein Mann Sergey war? Hoffte er, einen einfachen Lieutenant auszunutzen, der ohne die nötige Erfahrung in den Rängen aufgestiegen war? Wenn er dachte, Sergey wäre ein Schwächling, dann hatte MacAllister sich gewaltig getäuscht!
Statt der Erklärung, auf die der Plutonier wartete, zog der Admiral eine Spielkarte aus seiner inneren Brusttasche und legte sie auf den Tisch. Es war ein Joker, eine Wildcard, mit dem Bild eines auf einer Sprungfeder montierten Teufelskopfes, welcher aus einer Geschenkbox sprang.
„Weil ich Sie in Aktion gesehen habe“, MacAllister musterte sein Gegenüber aufmerksam, „Ich habe also eine ganz gute Vorstellung davon, worauf ich mich einlasse.“
Der Leutnant nahm die Karte, um sie sich genauer anzusehen. Ein seltsames Gefühl unter seinen Fingerspitzen. Papier. Dickes, hochwertiges Papier. Echtes Papier, kein Kunststoffpapiergemisch oder rein synthetisches Material, wie die Sammelkartenspiele, mit denen seine Truppen jedes Jahr ausgestattet wurden. Er hatte dieses altmodische Material nur ein paar Mal gesehen und angefasst. Warum sollte man daraus etwas herstellen, das so oft benutzt wurde wie Spielkarten? Es würde innerhalb kürzester Zeit schmutzig und ausgefranst sein. MacAllister war ein alter Mann, aber nicht auf diese Art sentimental, soweit Sergey das beurteilen konnte. Er schien zudem praktisch veranlagt. Hatte ihm diese Karte jemand anderes gegeben?
Die diesem Artikel innewohnende Seltsamkeit war ein Hinweis. Paps hätte vielleicht gewusst, was davon zu halten war. Sergey nicht. Er machte sich eine mentale Notiz für später.
„Wenn Sie erwarten, dass ich Sie und Ihre Crew aufgrund meines Respekts für Ihre Person oder wegen der Erfahrung und der harten Zeiten, die wir bereits überwunden haben, schonen werde, dann irren Sie sich!“, das sollte besser direkt geklärt werden.
„Im Gegenteil“, der Admiral leerte sein Glas und schenkte dann beiden zum dritten Mal nach, „ich erwarte, dass Sie mir von hinten in den Kopf schießen, sollten Sie das für die einfachste Möglichkeit halten, mein Schiff zu übernehmen. Ich erwarte, dass Sie Plutos Willen und Normen unbeirrt durchsetzen. Doch ich halte Sie auch für ehrenhaft und intelligent, für jemanden, der sich andere Standpunkte zumindest anhört, mit dem man vernünftig diskutieren kann und der solch drastische Maßnahmen nur als letzten Ausweg ergreift. Sie kennen den Preis der Gewalt und Sie werden ihn zahlen, jedoch nicht unnötigerweise.“
Sergey juckte es in den Fingern, dem alten Mann das Gegenteil zu beweisen und diesen wissenden Blick gewaltsam in den hintersten Teil seines Schädels zu verschieben. Damit sollte seine neue Aufgabe beendet sein, bevor sie überhaupt begonnen hatte, oder? Scheiß auf die Ehre! Aber nein, das konnte er nicht tun. Egal, wie MacAllister oder sonst jemand es nannte: Ehre, Respekt vor der Uniform, Verantwortungsbewusstsein … der alte Knacker hatte mit seiner Einschätzung recht. Er hatte ihn erschreckend gut gelesen. Selbst wenn er von der Erde stammte, verdiente der Admiral Sergeys Respekt. Wahrscheinlich nicht für seinen Rang oder dafür, dass er Kapitän dieses winzigen Schiffes war. Vielleicht aufgrund seiner Intelligenz und seines Alters. Ganz sicher für seine Kühnheit.
Dafür, wie er mit Sergey, seinen Männern und der Situation umgegangen war. Es war schon eine beachtliche Leistung, ihren leitenden Provost, die gute alte Garin, dazu zu drängen, gegen ihre Befehle zu handeln, und die Hilfe der Spartaner im Kampf anzunehmen. Ausgerechnet Sergey zu bitten, die plutonische Seite zu übernehmen, obwohl er die Gefahr so klar erkannte? Nur um sicherzugehen, dass er sich keinen Vorschriftenreiter oder gefährlichen Dummkopf einhandeln würde?
Ja, so eine selbstmörderische Entschlossenheit musste man bewundern.
„Ich bin der Teufel, den Sie kennen …“, Sergey schnippte die Spielkarte über den Tisch zurück.
„Ganz genau. Ich bin nicht glücklicher über Ihr Bleiben, als Sie es sind. Doch es ist beschlossene Sache, also wie wäre es, wenn wir uns darauf einigen, bestmöglich miteinander auszukommen!?“, der Admiral hielt seinen Tumbler hoch, „Wie bei einer arrangierten Ehe, da?“
Ach, scheiß drauf. Es gab sowieso keinen Ausweg. MacAllister hatte einen Deal mit Mama Tasha gemacht. Einen Deal, den er sehr bald bereuen könnte, allein schon wegen seiner Wahl des Militärkommandanten. Im Vergleich zu ihr waren alle anderen harmlose Kätzchen. Wenn die mächtigste Frau im Sonnensystem einen Befehl erteilte, erwartete sie, dass er verdammt noch mal buchstabengetreu befolgt wurde. Das war beschlossene Sache. Das Einzige, was ihr Vollstrecker diesbezüglich kontrollieren konnte, war seine eigene Reaktion, sein zukünftiges Verhalten. Und das Ausmaß der Folgen für sich selbst und seine Kameraden.
Der Plutonier hob sein Getränk mit einem Schnauben. Die Eier des Admirals verdienten einen gewissen Respekt und Höflichkeit. … alles andere würde sich mit der Zeit ergeben. „Keine Chance. Sie sind viel zu alt für mich. … und zu hässlich.“
„Tja, Pech gehabt. Dem stählernen Miststück scheint die Mitgift zu gefallen.“
Sergey stieß ein Lachen aus und schlug dann mit wohl dosierter Kraft ihre Tumbler gegeneinander. „Da. Nastrovje!
Einerseits war der Alkohol des Admirals, auch wenn es kein Wodka war, zu lecker, um ihn zu verschwenden. Daher riskierte er nicht, die bereits beeinträchtigte Intaktheit des Tumblers zu zerstören und alles über den Tisch zu verschütten. Andererseits war Sergey mit dieser letzten Bemerkung nicht einverstanden, also stellte er das Glas beiseite, ohne zu trinken. Vielleicht war es etwas spät, um seine Abneigung auf diese Weise zu zeigen, und da der Terraner – wie er selbst zugab – noch nie zuvor im plutonischen Raum gewesen war, würde er die Zurückweisung wahrscheinlich nicht einmal als solche verstehen. Doch was auch immer er sonst sein mochte, Sergey war kein Stück Eigentum, mit dem sich handeln ließ. Er war ein freier Mann. Weder eine widerwillig verheiratete Jungfer noch Gegenstand eines schlechten Witzes.
MacAllisters smaragdgrüne Augen musterten schweigend den gesprungenen Tumbler. Dann stellte er seinen, von dem er nur einen Schluck genommen hatte, daneben. Hat der Mann die Natur des Tabubruchs, den er gerade begangen hatte, doch begriffen? Wahrscheinlich nicht. Sergey seufzte innerlich. Er konnte sich zwar nicht beklagen, dass MacAllister keine Anstalten machte, ihm entgegenzukommen. Doch wie auch immer ihre Beziehung in Zukunft aussehen würde, sie musste definitiv noch wachsen. Dies war kein Terrain, auf dem sich Sergeys direkte Art wohlfühlte. Allerdings zeigte der Admiral in dieser Hinsicht eindeutig seine eigenen Unzulänglichkeiten, weshalb die Senior Commander nicht nur gefordert hatte, dass ein Plutonier das Militär und die Sicherheit an Bord leiten sollte, sondern auch einen Diplomaten mitschicken würde.
Und dies hier war noch eine Art Friedenszeit. Die mit Sicherheit zu Spaltungen führenden schwierigen Entscheidungen lagen noch in ihrer Zukunft. Probleme für später.
Ah, Leere!
Vielleicht wäre es keine komplette Verschwendung seiner Lebenszeit, zu bleiben. Ein paar Jahre in einem fremden Sonnensystem würden ihm doch zumindest reichlich Zeit und Gelegenheit verschaffen, die hübsche Chefärztin der Gateshot zu verführen …
Apropos Gelegenheiten und Beziehungen, die neu definiert werden mussten.
„Ich möchte, dass Sie meine neue Position noch ein paar Stunden für sich behalten“, Sergey erhob sich, „Es gibt da noch etwas, um das ich mich kümmern muss, bevor es allgemein bekannt wird.“

GLEN\EVE\\ ÜBERRASCHUNGSANGRIFFE

[Vorgeschmack auf Band 5]

„Kapitän! Drei velorianische Schiffe auf Angriffsvektor!“, rief Rivers. „Zwei goutas, eine ruja!“

Glen studierte die Ausgabe auf dem Hauptbildschirm. „Pilot, Ausweichmanöver! Waffen, so schnell wie möglich einsetzen! Sorgen Sie dafür, dass sie uns nicht einkesseln können!“

„Aye, Sir!“, bestätigten Ludmilla und Jiăng.

„Schon wieder die Velorianer?“, murmelte Nick von seinem Sitz neben Glen.

„Was denn, bist du so begierig darauf, es mit den anderen Aliens aufzunehmen?“, grinste der Kapitän, während er die Daten betrachtete, welche von verschiedenen Stationen auf die vier Holo-Bildschirme vor ihm übertragen wurden.

Sein XO schüttelte mit einem leisen Lachen den Kopf und konzentrierte sich auf das Zusammenspiel der anderen Brückenbesatzungsmitglieder. Mit sicherer Hand führte er sie, brach Glens Befehle in kleinere Schritte herunter und passte sie nach Bedarf an. Er machte seine Sache gut. Der Bursche sah fast wieder normal aus, kaum eine Spur von der Tortur, die sein Geist und sein Körper noch vor Kurzem durchgemacht hatten. Er muss wohl hart trainieren.

Glen riss sich aus seinen privaten Grübeleien los, um sich wieder der aktuellen Situation zu widmen. Es war erstaunlich, wie schnell die Gateshot die ruja erledigte, wenn sie nicht durch lähmende technische Probleme und moralische Überlegungen behindert wurde. Die Brückenbesatzung hatte sich in den letzten Monaten gut zusammengefunden und arbeitete Hand in Hand wie ein Uhrwerk.

Bis jetzt war nur ein kleiner Störfall aufgetreten. Er blickte zu der leeren Konsole zu ihrer Linken hinüber. Wo war seine Schiffsmeisterin? Sie hatte sich gemeldet, um ihm mitzuteilen, dass es ein wichtiges Problem zu lösen gäbe, doch das war schon fast fünfzehn Minuten her. Eve mochte vieles sein, unpünktlich gehörte jedoch nicht dazu. Und sie wusste um diesen Einsatz.

„Keine Sorge, sie wird schon noch auftauchen“, murmelte Nick, während seine Finger über seine Bildschirme flogen. „Außerdem kommen wir auch ohne sie ganz gut zurecht, oder?“

„Sicher …“, etwas in Glens Hinterkopf juckte. Sie kamen zu gut zurecht. So einfach konnte es doch nicht sein, oder?

„Kapitän!“ Rivers’ Stimme stieg um einige Oktaven. „Zwei weitere Schiffe sind gerade auf unseren Scannern aufgetaucht! 20 km entfernt, hinter uns, sie zielen auf unsere Flanken. Sie kamen aus dem Nichts und sind riesig!“

„Pilot, Manöver Z-34 ausführen“, befahl Nick.

„Z-34 ausführen“, wiederholte Ludmilla brav und änderte bereits ihr Flugmuster in einen steilen Sturzflug, um sich in einer Schraubenbewegung von dieser neuen Gefahrenquelle zu entfernen.

„Scanner, wie stark ist ihre Panzerung?“, verlangte Jiăng zu wissen.

„Ich arbeite daran.“ Ihre Augen auf die Konsole geheftet, saugte Redhead Rivers konzentriert an ihrer Unterlippe.

Hinter ihnen öffnete sich die Tür zur Brücke. Zielstrebige Schritte, die vom Teppich gedämpft wurden. Allerdings nicht die leichten Schritte einer Frau. Glen blickte über die Schulter. Ein leichtes Kribbeln lief ihm den Rücken hinunter. „Lt. Federov. Sollten Sie nicht bei Ihren Leuten sein?“

„Hangar 4 wurde getroffen“, rief Lt. Okoro, der neben Rivers an einer zusätzlichen Scannereinheit saß. „Große Sprengkörper, aber nur minimale Schäden.“

Nick und Glen tauschten einen kurzen Blick aus.

„Sekundäre Sprengschilde werden versiegelt“, verkündete Dr. Lustig, ihr leitender Ingenieur.

Als Federov einfach weiter marschierte, ohne auch nur eine Antwort zu geben, wurde das Kribbeln zu einem regelrechten Schauer.

„Halten Sie ihn auf!“, forderte Glen und zeigte auf zwei Offiziere, die Hilfskonsolen bedienten.

Als sie ihm in den Weg traten, sprang der Plutonier vor und traf einen von ihnen mit einer ausholenden Bewegung, die auf den Bauch des Mannes zielte. Der Offizier erstarrte, blickte nach unten und blinzelte. Dann sackte er zu Boden. Federov griff bereits den anderen an, das Messer noch in der rechten Hand, die Pistole in der linken.

„Scheiße!“ Glen drückte auf den Schnellverschluss seiner Gurte und sprang auf die Füße. „MacAllister an Sicherheit, die Brücke wird angegriffen! Schicken Sie Verstärkung!“

Mit großen Augen sprang auch Nick auf die Füße. „Verdammt, Federov hat uns reingelegt! Singh, übernehmen Sie die Kontrolle über die Brücke!“

„Aye, Sir!“, bestätigte der zweite Offizier.

„Hangar 4 ist versiegelt.“ Lustig warf einen Blick zurück auf das Geschehen, aber er war professionell genug, um weiter seiner Arbeit nachzugehen. Einige der anderen starrten ebenfalls, mit Ausnahme von Ludmilla und Jiăng, welche völlig in die Bewältigung der externen Bedrohung vertieft waren.

„Scanner!“, forderte Jiăng und riss die mit großen Augen starrende Rivers in die Pflicht zurück.

Verdammte Axt! Wo waren die die Brücke schützenden Drohnen?

„Keine Anzeige“, meldete Rivers. „Ich kann ihre Abschirmung nicht durchdringen!“

„Lt. Jiăng, greifen Sie sie mit allem an, was wir haben!“, befahl Singh. „Wir werden sehen, ob wir sie nicht knacken können!“

„Aye, Sir.“ Jiăng blickte zu Ludmilla. „Pilot, geben Sie mir einen Angriffsvektor!“

„Schon dabei.“ Die Stimme der Frau mit dem Aussehen einer grauhaarigen Bibliothekarin war vor Konzentration angespannt.

Nick und Glen zogen sich eilig von ihrer zentralen Position auf der Brücke zurück und suchten sich einen halbwegs geschützten Platz an der linken Wand. Ein Wartungstechniker kauerte bereits in der Nähe des Waffenschranks, als Glen ihn mit seinem Daumenabdruck entriegelte. Federov machte sich über zwei weitere Besatzungsmitglieder her wie ein gefräßiger Dämon über eine Gruppe Nonnen. Er hielt sich das letzte als menschlichen Schutzschild vor und richtete seine Pistole auf Glen.

„Runter!“ Nick stieß Glen beiseite, und die für seinen Vorgesetzten bestimmte Kugel traf ihn direkt in die Brust.

„Ah, verdammt!“, murmelte er und sackte zu Boden.

„Kapitän, interner Sensoralarm!“ Rivers’ Kopf schnellte wild herum. „Eindringlinge strömen aus Hangar 4. Mindestens ein Dutzend! Interne Verteidigung reagiert nicht!“

„Ich arbeite daran.“ Lustigs Stimme blieb ruhig, seine winzigen Finger flogen mit zunehmender Geschwindigkeit über seine Konsole.

„XO ist außer Gefecht!“ Glen prallte hart gegen die Wand und griff sich eine der Waffen aus dem Spind.

Federov hatte sich bereits in Deckung begeben. Seine Hand erschien kurz über dem Stuhl des Kapitäns, um zwei Kugeln abzufeuern. Eine traf Lustigs Glatze, und der leitende Ingenieur fiel vornüber auf seine Konsole. Das Mädel neben ihm sprang mit einem kleinen Schreckensschrei auf. Die nächste Kugel traf sie.

Begierig, die Gelegenheit zu nutzen, drückte Glen ab, doch es passierte nichts. Scheiße, das Ding war verklemmt!

Mit einem Grinsen im Gesicht schwang sich Federov über den Stuhl und stürzte sich mit einem Messer in der Hand auf Okoro und Rivers. Während der erste in seinem Stuhl festschnallt starb, sprang die Rothaarige auf und nahm eine Kampfhaltung ein. Sie wich dem Messerstoß um Haaresbreite aus und versetzte dem Angreifer einen geschickten Tritt gegen das Schienbein. Durch den überraschenden Konter verfehlte Federov seinen Schuss und stolperte gerade lange genug, dass sie über eine weitere Konsole vorerst in Sicherheit springen konnte.

„Die Velorianer haben uns getroffen!“ Jiăngs mandelförmige Augen weiteten sich, als er zwischen seiner Konsole, der einzigen Verteidigung, die das Schiff gegen die Angreifer von außen hatte, und dem Verrückten, der nur wenige Meter entfernt seine Kollegen abschlachtete, hin und her sprang. „Erhebliche Schäden in den Quadranten 42/10-45/05!“

„Die Eindringlinge gewinnen an Boden!“, warf eine andere panische Stimme ein.

Verdammte Axt! Wo zum Teufel war Eve? Sie hätte Federov sofort ausgeschaltet und gleichzeitig noch die unbesetzten Konsolen übernommen.

Glen riss das Magazin aus seiner Waffe und prüfte es eilig. Wie er vermutet hatte, war der Ladehemmer absichtlich herbeigeführt worden, doch diese Art von Sabotage ließ sich leicht beheben. Singh hatte mehrere andere um sich geschart, und sie stürzten sich auf Federov, als dieser sich umdrehte, um auf die am Boden kauernde Rivers zu zielen. Sie hätten ihn aufgrund ihrer schieren Anzahl um ein Haar bezwungen, allerdings fehlte ihnen die Kampferfahrung des Voidwalkers, sodass es nur einen Fehler brauchte, um die Situation zu kippen. Federov erkannte das schwache Glied sofort. Er brachte einen seiner Angreifer zu Fall und stieß ihn dann in einen zweiten, bevor er sich auf die zu Boden gefallene Waffe stürzte.

„Singh, runter!“, befahl Glen, während er sich dem Tumult zuwandte und das verklemmte Magazin wieder einsetzte.

Die Kugel traf Federov mitten auf die Stirn und spritzte rote Flüssigkeit über sein ganzes Gesicht. Gleichzeitig schlang sich ein Arm von hinten um Glens Brust, kalter Stahl strich über seine Kehle und hinterließ ein feuchtes Gefühl.

Scheiße.

Glen ließ die Pistole fallen und wollte zu Boden sinken, da berührte eine leichte Hand seinen Ellbogen, und eine resonante Stimme murmelte: „Nicht nötig. Sie waren das eigentliche Ziel.“

„Nun, eines davon“, Federov richtete sich auf, steckte seine Waffen weg und berührte die feuchte Stelle auf seiner Stirn, „wir haben in jedem Fall gewonnen.“

Die außerirdischen Schiffe, welche auf dem Hauptbildschirm auf sie zusteuerten, erstarrten. Ein rotes Banner überlagerte das Bild und zeigte die Meldung: „Simulation abgeschlossen.“ Der dunkelhäutige Mann im Wartungsoverall trat zurück und reichte dem Kapitän einen Lappen.

„Es ging also nicht darum, die Arbeit der Brückenbesatzung unter Stress zu beobachten, wie ich annehme?“ Glen nahm ihn an und wischte sich die Farbe vom Hals. „Oder hatten Sie nur eine andere Art von Stress im Sinn als die, über die wir sprachen?“

Niete“, Federov fischte eine kleine Packung Feuchttücher aus den Taschen seiner Uniformjacke, wischte sich die Stirn ab und warf den Rest Lustig zu. „Da ich sehr bald für die Sicherheit auf diesem Schiff verantwortlich sein werde, wollte ich, dass Sie und Ihre Brückenbesatzung verstehen, wie gefährdet Ihre Einrichtung wirklich ist. Wir sind ungehindert auf diese Brücke spaziert, obwohl Sie gerade eine Begegnung mit einem Gestaltwandler hatten. Vor dem wichtigsten Teil dieses Schiffes gibt es keinen Kontrollpunkt, keine Männer, die Wache stehen. Sie gehen zu sorglos mit überraschenden Gefahren um. Sie verlassen sich zu sehr auf Ihre Technologie, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten.“

Glen konnte nur seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpressen, während er einem der am Boden liegenden Offiziere aufhalf.

„Und das war nur ein einköpfiges Einsatzteam. Plus ein Infiltrator.“ Federovs Stimme wurde schärfer, sein Blick schweifte kurz zu dem Mann neben Glen. „… der unsichtbar bleiben und mit allen Daten, die er sammeln konnte, verschwinden sollte!“

Der von ihm indirekt angesprochene Plutonier reichte einem weiteren Besatzungsmitglied eine helfende Hand. Seine Stimme war entspannt, als er antwortete: „Ich hatte meine Erkenntnisse bereits übermittelt. Mein Job war erledigt.“

„Aber Sie beide hätten keinen Selbstmordeinsatz ausgeführt, hätte es sich nicht um eine Simulation gehandelt.“ Nick erhob sich und fing die Tücher auf, welche Lustig ihm zuwarf.

„Ich vielleicht nicht.“ Der Infiltrator zuckte mit den Schultern. „Doch wären wir Parruche gewesen oder Klone oder beides? Dann hätten wir es mit Sicherheit getan. Verabschieden Sie sich von diesen beschützten Vorstellungen, Commander. Sie werden Ihnen hier draußen wenig nützen.“

Die Tür zur Brücke öffnete sich. Eine winzige Drohne flog herein und steuerte auf die ausgestreckte Hand des Mannes zu. „Hier, Kapitän. Sie finden darauf Daten von jeder Brückenkonsole. Das einzige Ziel, auf das ich keinen Zugriff erhalten konnte, war Ihr Büro.“

„Das sind fünf Punkte für uns.“ Federov schien nun etwas weniger verärgert. „Einer für Sie. Und meine Argumentation steht. Wenn ich zwei bis vier Leute mitgebracht hätte – nicht einmal eine ganze Truppe, nur ein paar gut ausgebildete Personen, die mir den Rücken freihalten – wären wir genauso schnell gewesen und hätten diese Brücke innerhalb von Sekunden in Stücke geschossen. Es wäre ein Massaker gewesen! Als ob man Ratten in einem Käfig plattmacht.“

Rivers schluckte, ebenso wie einige andere. Nick und Glen tauschten einen entschieden unbehaglichen Blick aus. Verdammte Axt, Federov hatte Recht.

„So wie es aussieht, haben wir …“ Federov zählte demonstrativ alle Getöteten durch und zeigte am Ende mit dem Finger auf den Kapitän. „… zwölf von achtzehn Menschen auf dieser Brücke ausgeschaltet, einschließlich der beiden kommandierenden Offiziere. Und davor Frau Baileywick. Sie haben einen erschossen. Das macht achtzehn zu zwei Punkten.“

„Wir haben außerdem den Waffenschrank und die Wachdrohnen sabotiert“, bestätigte der Infiltrator Glens Verdacht.

„Sonst noch etwas?“, erkundigte sich sein Vorgesetzter.

Der Mann zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise.“

„Gut. Also ein sicheres 20:2.“ Federov schüttelte den Kopf. „Das geht so nicht, Admiral. Wir müssen Ihre Sicherheitsvorkehrungen komplett überdenken. Meinen Sie nicht auch?“

Verdammte Axt, wie konnte er etwas anderes sagen als: „Aye, ich schätze, das müssen wir wohl.“

Ein selbstzufriedenes Lächeln erhellte das harte Gesicht des Lieutenants für einen Moment. Er legte zwei Finger an sein Ohr als Zeichen für eine eingehende Nachricht: „Hier Ironwing.“

Die Tür zur Brücke öffnete sich. Eve schritt herein, mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck. Sie stoppte neben Glen, beide Hände auf dem Rücken verschränkt. Auch ihr Nacken und Rücken waren mit Farbe markiert.

Nach einer Minute nickte Federov. „Gut gemacht. Rückzug und Aufräumen.“

Glen blickte zu seiner Schiffsmeisterin hinüber und zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Die Plutonier haben die Landung von Außerirdischen aus Hangar 4 simuliert“, die graublauen Augen funkelten, während sich ihr Mundwinkel langsam hob. „Sie haben sich Kostüme aus Bettlaken und dergleichen angefertigt. Es war ziemlich amüsant, ihnen zuzusehen.“

„Amüsant ist nicht wirklich das richtige Wort dafür.“ Federov konnte sein eigenes Grinsen nicht ganz verbergen. „Es ging darum, zu ermitteln, wie lange Ihre Sicherheitskräfte brauchen, um zu reagieren und sich zu organisieren … Sagen wir einfach, der Punktestand ändert sich nicht wesentlich.“

Mit einem tiefen Seufzer fing er die traurigen Reste seiner Tücher auf. „Das wird eine Menge Arbeit werden …“


„Also, was ist passiert?“, fragte Glen Eve, nachdem die Plutonier abgezogen waren und er eine stark demoralisierte Brückenbesatzung zur Erholung in die Mittagspause geschickt hatte. Er beorderte Nick und sie zu einer kurzen Nachbesprechung in sein Büro.

„Lt. Federov ließ mich hinhalten, damit er mich zuerst ausschalten konnte.“ Das Mädel kämmte ihren karibikblauen Zopf nach vorne, um die neongrünen Farbsprenkel besser begutachten zu können. „Anscheinend hielt er mich für einen zu großen Trumpf in Ihren Händen.“

Klang da etwa Selbstzufriedenheit in ihrer Stimme mit?

„Nun ja“, Glen kratzte sich am Kinn, „er ist verdammt schlau. Vielleicht hätte ich ihn ziehen lassen sollen. Dann hätten wir vielleicht einen … naiveren Aufseher bekommen.“

„Das wäre ein Glücksspiel gewesen und hätte seine eigenen Gefahren mit sich gebracht.“ Nick schüttelte den Kopf. „Nein, so ist es besser. Außerdem hat er recht.“

„Das will ich gar nicht abstreiten.“ Glen konnte das Knurren in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken. „Es scheint mir nur gerade ein schlechter Zeitpunkt, es den Leuten unter die Nase zu reiben. Wir haben die Piraten gerade so überlebt, unser Schiff ist immer noch schwer beschädigt, und unsere Crew braucht einen Muntermacher, keinen weiteren Dämpfer.“

„Vielleicht.“ Nick kratzte seinen Undercut. „Andererseits haben wir nur noch ein paar Wochen Zeit, bevor wir uns auf den Weg zum Tor machen, und Dinge wie Sicherheitskontrollen und dergleichen sollten in den neuen Brückenspezifikationen enthalten sein, bevor wir Reparaturen und Renovierungen im Dock durchführen lassen. Jetzt können wir sie noch einplanen. Jetzt haben wir noch Zeit, die Leute in einer sicheren Umgebung zu schulen.“

Aye, Glen war sich dessen bewusst. Dennoch … die Art und Weise, wie Federov seine Brücke, Glens Machtzentrum, überfallen hatte, ärgerte ihn maßlos. … Und der Infiltrator …

„Dieser Infiltrator …“

„Sgt. Ermolai Ronne“, ergänzte Eve, „wird selbst in privaten Gesprächen nur mit seinem Codenamen ‚Ghost‘ angesprochen.“

„Er war … unheimlich.“

„Ich habe ihn nirgendwo gesehen.“ Nick runzelte die Stirn.

„Ich habe ihn neben dem Waffenschrank gesehen, aber dann …“ Glen machte eine vage Geste. „Habe ich einfach … vergessen, dass er da war. Plötzlich war er direkt hinter mir, und ich habe es nicht bemerkt!“

Die Schiffsmeisterin nickte. „Es fällt mir schwer, ihn mit Kameras und Sensoren zu verfolgen. Er scheint die meiste Zeit zu verschwinden. Ich vermute, es ist Magie. Vielleicht sogar eine instinktive Art. Sie wissen, dass ich Magie nicht begreifen kann.“

Richtig, das war Teil ihrer Kernprogrammierung.

„Was ich aber wirklich gerne wissen würde“ – Nick beugte sich mit einem schelmischen Funkeln in den Augen über den Tisch – „ist, wie es Federov geschafft hat, unsere mächtige Wächterin so einfach und mit nur zwei Schüssen auszuschalten. Ohne dass es jemand bemerkt hat.“

Eve hielt seinem Blick stand, schüttelte ihren Zopf aus, und die Sprenkel, die ihn bedeckten, zerfielen zu Staub. „Nun“, meinte sie grinsend, „dann solltest du ihn vielleicht nach den Details fragen. Ich habe nämlich keine Lust, sie zu teilen.“

Unwillkürlich legte sich ein Stirnrunzeln auf Glens Gesicht. Was hatte es damit auf sich? Hatte Federov ihren Stolz genauso sehr verletzt wie seinen?


Nachdem sie endlich das neueste Problem des plutonischen Quartiermeisters mit dem Design der Gateshot-Crewquartiere gelöst hatte, eilte Eve zum Aufzug. Sie schaltete sich in die Kameras auf der Brücke ein und sah, dass die Simulation bereits begonnen hatte. Zu ihrem Glück war ihre Anwesenheit als Schiffsmeisterin nicht zwingend erforderlich, insbesondere da Nick wieder im aktiven Dienst war. Dennoch erwartete Glen sie dort, und sie hasste es, zu spät zu kommen.

Gerade als sich die Türen hinter ihr schlossen, huschte jemand anderes mit in die kleine Kabine.

Eve runzelte die Stirn. „Sollten Sie nicht bei Ihren Truppen sein, Lieutenant?“

„Oh, ich bin gerade auf dem Weg dorthin.“ Federov schüttelte den Kopf. „Ich wurde aufgehalten. Und sollten Sie nicht auf der Brücke sein?“

„In der Tat. Halten Sie sich fest.“ Eve startete den Aufzug und wählte die Express-Einstellung. Während sie perfekt im Gleichgewicht blieb, musste Federov einen Schritt zur Seite machen, um den plötzlichen Ruck auszugleichen.

„Was zum …“

Zuerst dachte sie, er beziehe sich auf die abrupte Beschleunigung, doch sein Blick war an ihr vorbei gerichtet.

„Spielt dieses Mädchen wieder mit Magie?“

Eves Augen weiteten sich. Suzy würde sich doch nicht noch mehr Ärger einhandeln, oder? Machte Rupert etwas, um Federov gegen sie aufzubringen?

Da sie auf den Kameras nichts Ungewöhnliches erkennen konnte, blickte sich Eve rasch um. Kaum hatte sie den Blick abgewandt, packte der Plutonier sie von hinten am Hals und beschmierte ihn mit einer klebrigen Substanz. Gleichzeitig zog er mit der linken Hand seine Pistole. Es gelang ihm, einen Schuss abzugeben, bevor sie sich herumdrehte, ihn am Kragen packte und vom Boden hochhob. Seine Waffe fiel klappernd zu Boden, als sein Rücken mit einem dumpfen Aufprall gegen die Wand schlug. Ein winziger Ausdruck von Schmerz huschte über sein Gesicht.

„Ich habe Sie markiert“, keuchte er.

Eve berührte mit der freien Hand die klebrige Substanz in ihrem Nacken und betrachtete sie. Grüne Farbe. „Sie hätten mich betäubt und erschossen?“

„Für den Zweck dieser Simulation habe ich das.“ Federovs Stimme blieb ruhig, wenngleich sein Herzschlag sich geringfügig beschleunigt hatte. „Hat für die Meuterer funktioniert. Wäre das hier jedoch echt gewesen, hätte ich einen anderen Weg gewählt. Vielleicht die Kabine mit Sprengstoff ausgekleidet oder eine Selbstmorddrohne geschickt, um Sie zu zerfetzen. Doch das ist schwer nachzuahmen, ohne tatsächlichen Schaden zu riskieren.“

„Verstehe.“ Die Wächterin setzte ihn zurück auf seine Füße, drückte ihn jedoch weiter gegen die Wand. „Sie haben den Quartiermeister beauftragt, mich aufzuhalten.“

Da.

Sie legte den Kopf schief. „Warum bin ich das erste Ziel?“

„Das hat mehrere Gründe.“ Federov fischte einen Lappen aus seiner Tasche und wischte die Farbreste von seiner künstlichen Hand. „Hauptsächlich, weil die Besatzung zu sehr davon abhängig ist, dass Sie ihre Fehler ausbügeln. Sie können jeden Posten übernehmen, sogar mehrere gleichzeitig. Sie sind ein Sicherheitsnetz, das ich durchtrennen muss, wenn die Brückenbesatzung verstehen soll, wie tief der Fall tatsächlich ist. Es geht mir nicht darum, mich zu profilieren, sondern der Crew ihre blinden Flecken vor Augen zu führen. Sie verstehen sich als ihr Lehrer, daniete?“

Eve nickte. Diese Simulation war nicht das, was Federov behauptet hatte. Es ging nicht darum, die Brückenbesatzung in Aktion gegen eine externe Bedrohung zu beobachten. Es ging darum, zu sehen, wie sie auf Überraschungen reagierte. Darum, Lücken in ihrer Verteidigung und ihrer Wahrnehmung zu entlarven.

„Dann sollten Sie wissen, wie wichtig es ist, einen Schritt zurückzutreten und sie stolpern zu lassen. Manche Dinge kann man nicht durch Worte vermitteln, man muss sie zeigen.“

Mit einem inneren Seufzer schloss die Wächterin kurz die Augen. Das war der Teil, den sie noch immer nicht vollständig beherrschte. Sie wusste jedoch um diese spezielle Schwachstelle, und entweder hatte er das erkannt oder einfach sehr gut geraten. Außerdem – darauf wies sie eine spitzbübische Stimme in ihrem Inneren hin – hatte Glen, ihr Hauptschüler, die Plutonier an Bord ihres Schiffes gelassen und vereinbart, dass sie bleiben durften. Er hatte ihr gesagt, dass sie, wenn sie wolle, dass er ihr Kapitän sei, die Verantwortung für die Führung an ihn abgeben müsse. Wenn es Federov also tatsächlich gelingen sollte, ihren Kapitän zu überlisten, wäre Glen selbst schuld. Und vielleicht gab es etwas, das der Plutonier dem alten Schotten beibringen konnte. Etwas, für das Eve zu „unerfahren“ war, um es zu wissen oder mit ihm zu teilen.

Mit einem schmalen Lächeln ließ Eve Federov frei. „Sie wollen also, dass ich mich totstelle?!“

Da.“ Er hob seine Schusswaffe auf. „Und ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie die Kabine zwei Decks unter der Brückenebene anhalten und sich hier einschließen würden, bis die Simulation vorbei ist. Dann muss ich die nicht wirklich sabotieren.“ Er hielt eine kleine Tasche mit Haftbomben hoch. „Außerdem habe ich Ihnen in der Zeit, die mich das gekostet hätte, meine Beweggründe erklärt. Also scheint es nur fair, daniete?“

Da.“ Die Kabine verlangsamend und anhaltend, sank die Wächterin auf die Knie, bevor sie mit dem Gesicht voran zu Boden fiel – genau so, wie sie es getan hätte, wenn der Lieutenant sie tatsächlich betäubt und erschossen hätte. „Ich wünsche euch Jungs viel Spaß.“

Federov schnaubte, als er die Tasche sanft auf den Boden abstellte. Dann sprang er hoch, um durch das Dach der Kabine zu verschwinden.